Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
ich dachte, du wüsstest davon«, sagte Möller. »Ja, wo soll man anfangen?«
»Kurz gefasst ist Folgendes geschehen«, erklärte Edin. »Einar und seine Frau Solveig sollten auf die Kinder der Nachbarn aufpassen. Es waren zwei kleine Jungen, etwa drei und fünf Jahre alt. Die Kinder sollten am Arbeitsplatz der Mutter abgegeben werden – sie arbeitete in einem Friseursalon im Stadtzentrum. Auf dem Weg dorthin wollte Einar – der zunächst auch das Auto fuhr – noch etwas erledigen. Es dauerte ein bisschen länger, sodass Solveig das Steuer übernahm und zum Kiosk unten am Fluss fuhr, um den Jungen ein paar Süßigkeiten zu kaufen. Sie parkte den Wagen neben dem Kiosk, mit der Front zur Straße und dem Heck zum Wasser. Zu jener Zeit gab es dort am Fluss noch kein Geländer, und die Fläche war leicht abschüssig. Während sie einkaufte, begann das Auto zu rollen und ...«
Edin hielt inne und warf seinem Kollegen einen auffordernden Blick zu. Sjöberg hatte sämtliche Muskeln angespannt und wartete mit Schrecken auf die Fortsetzung, obwohl er das Ende bereits ahnte. Möller übernahm.
»Solveig lief zum Auto, um die Katastrophe noch zu verhindern. Aber das ist ihr nicht gelungen, und der Wagen fiel hinein. Ein Seitenfenster war heruntergedreht, sodass das Auto schnell volllief und zu Boden sank. Mit den Kindern. Sie warf sich ins Wasser und versuchte, die Türen aufzubekommen. Einar kam dazu und half. Und noch ein paar andere. Aber du weißt ja, wie schwierig es ist, wenn das Auto erst einmal unter Wasser ist. Und es war bestimmt kein Vergnügen, danach den armen Nachbarn in die Augen zu sehen. Ja, großer Gott, das war vielleicht eine Tragödie.«
Sjöberg war erschüttert. Dreißig Jahre lang hatte Einar diese Last getragen: die Erinnerungen, die Angst, die Schuldgefühle, die ein solches Ereignis mit sich bringen musste. Was für ein Joch.
»Wurde Solveig bestraft?«
Edin lachte auf, ein kurzes, klangloses Lachen.
»Sie hat ihre Strafe bekommen. Aber nicht im juristischen Sinne.«
Nicht im juristischen Sinne flatterte es durch Sjöbergs Hirn, aber der Gedanke blieb nicht hängen.
»Sie ist nie wieder sie selbst geworden«, fuhr Edin betrübt fort. »Die ersten Tage schrie sie, versuchte zu erklären, sich zu entschuldigen, Vergebung zu finden, sich selbst zu vergeben. Und dann verstummte sie. Zuerst war sie im Krankenhaus, ziemlich lange, glaube ich, aber dann brachte Einar sie in irgendeinem Heim unter. Drei Jahre lang wohnte er noch in der Stadt. Du kannst dir ja vorstellen, was für ein Leben er hier hatte. Es wurde getuschelt und geflüstert und mit Fingern gezeigt und bemitleidet. Und es hagelte natürlich Anklagen. Aber er hielt durch. Wegen Solveig.«
»Jeden Tag kam er zur Arbeit und tat, was er tun musste«, fuhr Möller mit Bewunderung in der Stimme fort. »Er war nicht mehr derselbe fröhliche Typ wie vorher, aber er war hier und er kämpfte. Jede freie Minute verbrachte er mit Solveig, erst im Krankenhaus und dann in diesem Heim. Es hat drei Jahre gedauert, bis er die Hoffnung aufgab und nach Stockholm zog.«
»Er hat die Hoffnung nicht aufgegeben«, warf Sjöberg ein. »Er hat ein Reihenhaus gekauft, in dem er mit ihr wohnen wollte, wenn sie wieder gesund war. Und er besucht sie immer noch jeden Samstag. Zwölf Stunden lang sitzt er dann bei ihr, geht mit ihr spazieren und redet mit ihr. Ihren Geburtstag, Weihnachten und Neujahr verbringt er ebenfalls mit Solveig.«
»Einar ist also auch schon mehr als genug gestraft«, sagte Edin. »Und Solveig hat keinen Fehler gemacht. Der kleine Junge war autoverrückt. Und ungehorsam. Er löste die Handbremse, obwohl sie ihm verboten hatte, etwas im Auto zu berühren. Aber sie hätte die Jungen natürlich nicht allein lassen dürfen.«
»Sie hätte auch etwas klüger parken können«, lautete Möllers Kommentar. »Aber, verdammt noch mal, wir machen alle unsere kleinen Fehler. In den meisten Fällen geht es ja trotzdem gut aus. Nach dem Unglück haben sie ein Geländer am Flussufer aufgestellt, damit so etwas nie wieder passiert.«
Sjöberg warf einen Blick auf die Obstschale, hatte plötzlich aber keine Lust mehr, davon zu essen. Er war erschüttert von dem Schicksalsschlag, der Einar und seine Frau getroffen hatte. Erschüttert, aber auch voller Bewunderung für seinen Arbeitskollegen, der seine Solveig niemals verraten hatte.
»Du hast auch einen anderen Mann erwähnt«, sagte Edin. »Wie heißt er?«
»Christer Larsson«, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher