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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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eingejagt.«
    »Ich weiß.« Clare wandte den Blick vom Fernseher ab, wo Lyle MacAuley die Zuschauer bat, nach weiteren Mitgliedern der Punta Diablos Ausschau zu halten. »Er ist ein Freund von mir. Der Polizeichef.«
    »Wird er wieder gesund?«
    »Das wissen wir noch nicht. Seit der OP sind vierundzwanzig Stunden vergangen, und er wird immer noch künstlich beatmet.« Ärzte drängten sich um sein Bett und schürzten die Lippen. Die Diskussion brach ab, als sie Margys bleiches Gesicht sahen.
    »Es tut mir leid«, sagte Isabel. »Daran sind meine Brüder schuld.«
    »Nein.« Sie wies zum Fernseher. »Sie haben doch den Bericht gesehen. Es waren diese Gangster aus New York.« Clare hielt inne. Hoffte, sie würde keine Wunden aufreißen. »Ich weiß nicht, ob Ihnen das hilft, aber Deputy Chief MacAuley sagte mir, sie wären ebenfalls für den Tod von Amado Esfuentes verantwortlich. Sie haben etwas gesucht, genau wie in Ihrem Haus, und sie glaubten, dass Amado wüsste, wo es ist.«
    Isabels ohnehin ausdrucksloses Gesicht erstarrte zur Maske. Ihre Augen waren trocken und leer. »Einer der Polizisten sagte, er wäre …«
    »Ja.« Isabel verdiente die Wahrheit. »Wir Überlebenden trösten uns gern mit der Vorstellung, es sei ›wenigstens schnell gegangen‹ oder ›wenigstens musste er nicht leiden‹. Es ist schwer, wenn wir das nicht glauben können.«
    »Ja.«
    »Aber wir wissen zumindest, dass es, was immer geschehen ist, was immer er erleiden musste, vorbei ist. Und nichts kann ihm jemals wieder weh tun.« Sie lächelte dünn. »Ich wette, Pastor Bob predigt am liebsten über die Offenbarung.«
    »Ja, ziemlich oft.«
    »Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden, und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen trocknen.«
    Einen Moment verharrte Isabel reglos. »Auch Amados?«
    Clare erinnerte sich an den schüchternen jungen Mann, der einhändig staubsaugte, den Chor abwischte, vor sich hinsummte, wenn er dachte, dass niemand ihn hörte. »Besonders Amados«, antwortete sie.
    Isabel sank in die Kissen zurück. Vor dem Weiß stachen das Grün und Blau ihres Gesichts deutlich hervor, bis es nur noch aus Blutergüssen und müden, ausdruckslosen Augen zu bestehen schien.
    »Wir sind schuld. Ich und meine Brüder. Nein, ich weiß« – sie hob die Hand, um Clares Widerspruch zu ersticken –, »wir haben ihn nicht mit eigenen Händen zu Tode gefoltert. Aber uns trifft die Schuld. Uns alle.« Sie sah aus dem Fenster. »Christies halten zusammen«, sagte sie. »Das hat uns unser Dad eingebleut. Haltet zusammen. Passt aufeinander auf. Man kann sich nicht vorstellen, dass etwas, das so gut klingt, sich umkehrt und so vielen Menschen weh tut.«
    »Isabel«, sagte Clare. »Worüber wir hier reden, bleibt unter uns. Ich kann – und werde – niemandem erzählen, was Sie mir sagen. Aber wenn Sie wissen, warum diese Männer Ihr Haus überfallen und wonach sie gesucht haben, bitte, bitte, sagen Sie es Deputy Chief MacAuley.«
    Isabel drehte den Kopf zum Fenster. »Ich bin müde.«
    Clare stand auf. Die Teilnahmslosigkeit des Mädchens beunruhigte sie. Sie holte eine ihrer Visitenkarten heraus. »Isabel, ich lasse Ihnen meine Telefonnummer hier. Falls ich etwas für Sie tun kann, falls Sie mit mir sprechen möchten, rufen Sie an. Jederzeit. Würden Sie das tun?«
    Isabel stieß einen Laut aus, der fast wie ein Lachen klang. »Glauben Sie, ich könnte mich umbringen?«
    Clare plumpste zurück auf den Stuhl. »Denken Sie daran?«
    »Selbstmord ist Sünde. Wissen Sie das nicht?« Sie schloss die Augen. »Bitte gehen Sie jetzt.«
    Clare stand auf.
    »Warten Sie«, sagte Isabel. »Würden Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Äh … wenn ich kann.«
    »Meine Jeans hängt in dem Schrank da drüben. Könnten Sie sie mir bringen?«
    Clare ging zum Schrank. Fragte sich, ob ein Hinweis an die Krankenschwester ausreichen würde oder ob sie sich direkt an den zuständigen Sozialarbeiter wenden sollte. Sie brachte die Jeans zu Isabel, die ein sehr kostspielig wirkendes Handy aus einer der Taschen zog.
    »Ich trag das seit Monaten mit mir herum«, erklärte sie. »Aber ich habe es nie eingeschaltet. Ich frage mich, ob es überhaupt noch funktioniert.«
    »Hm«, sagte Clare, »könnte sein. Aber hier drin bekommen Sie vielleicht keine

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