Und verfluche ihre Sünden
klingst nicht besonders überzeugt.«
Er zog ein paar Birkenschösslinge zur Seite und ließ ihr den Vortritt. »Wir haben keine Vermisstenmeldungen, die diese Theorie untermauern würden. Lyle hat die Berichte aus dem gesamten County. Nichts außer der üblichen Sammlung von schwierigen Teenagern und Versagervätern, die sich um den Kindesunterhalt drücken.«
»Es gibt Menschen, die verschwinden können, ohne dass es auffällt. Ein alter Obdachloser oder eine geistig gestörte Person. Jemand, der leichte Beute für einen Killer darstellt.«
»Nicht da entlang!«
»Wo dann?« Sie stolperte und rutschte in den lockeren, trockenen Kiefernnadeln aus. Er packte ihren Arm und hielt sie fest.
»In Washington County gibt es keine Killer. Denk nicht mal dran.«
»Aber es würde erklären …«
»Nein. Würde es nicht.« Er hörte ein Geräusch. Schwach. Aus der Ferne. Rufe? »Hast du das gehört?«
Sie blieb neben einem dicken Eichenstamm stehen. Neigte den Kopf zur Seite. Als das Funkgerät an seinem Gürtel krächzte, zuckten beide zusammen. Er löste das Mikro.
»Van Alstyne«, sagte er. »Sprechen Sie.«
»Huggins hier«, erwiderte eine Stimme. »Wir haben ihn gefunden.«
»Gott sei Dank«, sagte Clare. »Gott sei Dank.«
Russ fand Hitze, Feuchtigkeit und die unwillkommenen Erinnerungen auf einmal viel weniger drückend. »Das ist eine gute Nachricht«, sagte er. »Wo war er?«
»Scheint, als hätte er versucht, an einem Ahorn hochzuklettern, und ist in einer Gabel hängengeblieben. Er hockte da drin und nuckelte am Daumen, als einer der Hunde seine Spur aufnahm. Wir bringen ihn gerade zurück zum Muster Field.«
»Danken Sie der Hundeführerin in unserem Namen. Sie hat soeben eine Menge Menschen sehr glücklich gemacht.«
»Verstanden. Ende.«
Russ grinste Clare an. »Verdammt, ein Happy End gefällt mir zur Abwechslung mal ganz gut.«
»Mir auch.«
Er hakte das Mikro wieder ein. »Na ja, dann wollen wir uns mal mit dem unglücklichen Ausgang beschäftigen.«
»Es ist nicht mehr weit«, meinte sie. »Wenn wir in Sichtweite sind, würde es dir dann etwas ausmachen, wenn ich zurück nach Muster Field laufe?«
Seine Antwort wurde vom erneuten Krächzen des Funkgeräts verhindert. Er löste das Mikro zum zweiten Mal. »Van Alstyne. Sprechen Sie.«
»Chief? Trooper McLaren hier.« Der Hundeführer der Staatspolizei, der sich an der Suche beteiligt hatte. »Wir haben hier eine Leiche. Ende.«
»Danke, McLaren. Das weiß ich. Ist denn noch keiner meiner Officer da? Mit dem Pathologen?« Verspätet fügte er ein »Ende« hinzu.
»Nein, Chief. Wir wissen von der Leiche, die von der ersten Suchmannschaft entdeckt wurde. Diese hier hat mein Hund gerade ausgegraben. Es handelt sich um einen zweiten Toten. Ende.«
Die Zeit nach Pfingsten
Mai und Juni
I
Montag. Memorial Day. Jedermann in den Vereinigten Staaten machte sich einen schönen Tag – außer den Angehörigen der Polizei von Millers Kill. Vielleicht ist das der Grund, warum mein Privatleben so mies ist, dachte Kevin Flynn, als er seinen Platz bei der Morgenbesprechung einnahm. Wenigstens nicht nur seines. Heute waren alle hier, auch die Teilzeitkräfte und die freiwillige Feuerwehr. Memorial Day, der vierte Juli, Labor Day – da ging es immer ab.
Allerdings nicht mit drei Mordopfern als Zugabe.
»Die beiden gestern gefundenen Leichen wurden auf dieselbe Weise getötet wie unser Opfer Nummer eins, John Doe.« Der Chief, an seinem üblichen Platz auf dem Tisch, war mürrisch und ein wenig verknautscht. Er, MacAuley, Hadley Knox und Eric McCrea hatten bis spät in die Nacht gemeinsam mit den Technikern der staatlichen Spurensicherung die Fundorte gesichert. »Ein einzelner Schuss in die Schädelbasis mit einer kleinkalibrigen Waffe, vermutlich Vollmantelgeschosse. Klassischer Exekutionsstil.«
»Im Bericht von Dr. Scheeler steht, dass sich am ersten John Doe keine Anzeichen für gewaltsames Festhalten finden«, erläuterte MacAuley. »Man sollte doch annehmen, dass er vorher gefesselt worden wäre, wenn man ihn zu einer Hinrichtung in die Wälder bringen würde.« Er stand an der Tafel und fasste die Informationen zusammen.
Der Chief zögerte kurz. »Vielleicht wurde er überrascht.«
»Was haben wir denn nun hier?«, fragte Paul Urquhart aus dem Hintergrund. »Opfer eines Bandenkriegs? Organisiertes Verbrechen? Wenn sich so etwas in unserem Gebiet abspielen würde, hätte es uns doch auffallen müssen!«
Der Chief hob die Hände. »Lasst
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