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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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abgeschlagen, und außer ihnen war um diese Zeit niemand auf dem abschüssigen Platz vor dem Rathaus von Siena.
    Achtzehn Jahre, dachte Van Leeuwen, achtzehn Jahre war das jetzt her. Er erinnerte sich noch, wie das Wetter an jenem Tag gewesen war, an die Sonne, den Wind, das mit satten Farben getränkte Licht; und doch schon eine erste, viel zu frühe Ahnung von Herbst in der Luft.
    Sie waren betrunken gewesen, ganz eindeutig, und sie hatten mehr Lärm gemacht als die Pferde und die zigtausend Zuschauer beim echten Palio. Sie hatten die anderen am Abend in einem Restaurant oben am Dom kennen gelernt, die Deutschen aus dem Ruhrgebiet und das italienische Pärchen aus Mailand, und nach dem Essen waren sie weitergezogen zu einer Bar an der Piazza del Campo. Gegen Mitternacht, nach einigen Flaschen birra und mehreren Grappas, hatte der Deutsche seine Frau auf die Schultern genommen und Van Leeuwen und den Italiener herausgefordert, und als Van Leeuwen das Funkeln in Simones Augen gesehen hatte, war ihm klar gewesen, dass er nicht kneifen durfte, nicht vor einem Moffen.
    »Weißt du noch, wie wir damals um Mitternacht da unten unseren Palio veranstaltet haben, diese verrückten Moffen, die Mailänder und wir beide ?«, fragte er. Er saß auf der Marmorbrüstung des Fonte Gaia oberhalb der konkaven, abschüssigen Piazza, und Simone saß neben ihm auf ihrer Jacke und erinnerte sich nicht. »Wann gehen wir schwimmen ?«, fragte sie.
    »Morgen«, sagte er.
    Die Sonne war längst untergegangen, und der Himmel über dem Palazzo Pubblico dämmerte grün. An den Tischen der Restaurants rund um die hallende Muschel des Platzes brannten kleine Windlichter, und Van Leeuwen fragte sich, ob an einem davon Sandrosaß. Er tastete nach dem Polaroid in der Brusttasche seines Polohemds.
    »Erinnerst du dich denn an gar nichts mehr ?«, fragte er bekümmert. Simone summte Penny Lane . Als er nicht aufhörte, sie anzusehen, wandte sie ihm das Gesicht zu und erwiderte seinen Blick mit ernster Miene, ernst und verständnisvoll, wie sie ihn früher manchmal angesehen hatte. Dann beugte sie sich vor, nahm seinen Kopf in beide Hände und küsste ihn auf den Mund. »Eskimos«, sagte sie leise, bevor sie ihre Nase an seiner Wange rieb.
    Gegen zehn Uhr morgens hatten sie sich Florenz genähert, und als die Dächer der Stadt unter ihnen lagen, war er noch voller Hoffnung gewesen, erfüllt von dem Gedanken, dass es auf der ganzen Welt keinen schöneren Anblick gab als die rotbraune Kuppel des Doms im hellen Dunst des Vormittags. Ein Anblick, den niemand jemals vergessen konnte. »Schau, wo wir sind«, sagte er. »Erinnert dich das an was ?«
    Simone hatte ein hellblaues Kopftuch getragen, zum Schutz gegen den Fahrtwind, und eine billige Sonnenbrille, deren Gläser mit ihren Fingerabdrücken übersät waren. »Wo sind wir ?«, fragte sie mit einem Lächeln, als wüsste sie genau, wo sie waren, und wollte ihm nur verheimlichen, dass sie sich längst wieder erinnern konnte. »Wo sind wir denn ?«
    »Tokio.«
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass wir verreisen ?« Das hatte sie schon vorgestern gefragt, als sie in Amsterdam losgefahren waren, und danach alle paar Stunden, in Deutschland, in der Schweiz, an der italienischen Grenze und das letzte Mal an diesem Morgen beim Aufstehen in ihrem Hotel kurz hinter Modena. Sie hatte einen leichten Sonnenbrand im Gesicht, denn seit der Schweiz war das Wetter so gut gewesen, dass sie mit offenem Verdeck fahren konnten.
    »Wo fahren wir hin ?«, fragte sie.
    »Überraschung«, sagte er.
    »Du musst es mir sagen, wenn wir verreisen«, beharrte sie. Ihr Kopftuch flatterte im Fahrtwind. Die Sonnenbrille hatte ein extravagantesgelbes Gestell mit schwarzen Punkten wie aus einem Fellini-Film. La dolce vita , dachte er, mit Sandro in Siena.
    Sie waren ohne Halt durch Florenz gefahren und dann ein Stück weit am Arno entlang, bevor sie den Fluss überquerten und die Landstraße quer durch das Hügelland nahmen. Simone musterte aufmerksam alles um sich herum. Das versonnene Lächeln auf ihrem Gesicht kam und verschwand, aber es schien nichts zu bedeuten. Kurz vor Poggibonsi steuerte Van Leeuwen den Alfa an den Straßenrand, weil sie sagte, sie wolle ein Picknick machen und schwimmen gehen, und das kam einer Erinnerung so nah, dass ihm einen Moment lang schwindlig wurde vor Hoffnung.
    Er holte Weißbrot, hart gekochte Eier, kaltes Brathuhn und eine Flasche Wein aus einem Korb auf dem Rücksitz. Abseits der Straße breitete

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