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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Innerstes nach außen kehren. Als würde mein Körper gewendet wie eine Jacke, das Futter nach außen, und als fühlte er sich umgedreht viel natürlicher an, viel schöner. Deine Hände wissen, was sie wollen. Sie sind sehr aufrichtig.«
    Nichts hatte erkennen lassen, dass sie sich daran erinnerte, als sie sich in dem winzigen Zimmer umsah.
    Aber er erinnerte sich an alles, sogar daran, dass es ein paar Straßen weiter einen Platz gab, auf dem ein Kinderkarussell gestanden hatte, und dass er das Lachen und das Geschrei der Kinder gehört hatte, während sie sich liebten, den fröhlichen Lärm und die Oldies von einem leiernden Tonband irgendwo im Bauch dieses Karussells, Azzurro und Something Stupid und Penny Lane , ja, jetzt fiel es ihm wieder ein, Penny Lane .
    Danach waren sie durch die engen Gassen zu dem kleinen Platz gegangen, wo die Kinder im Schatten des späten Nachmittags unterbunten Glühbirnen auf wippenden Pferden ritten oder zwischen den Flügeln kunstvoll geschnitzter weißer Schwäne hockten. Simone hatte ihn auf eine Holzbank am Rand des Platzes gezogen. Dort saßen sie dann nebeneinander, Wange an Wange, wie siamesische Zwillinge, und sahen zu, wie das Karussell sich drehte, bis Van Leeuwen schwindlig geworden war.
    Penny Lane.
    Es war eine Erinnerung, die ihm wehtat, wie so viele. Aber als sie in dieser Nacht, siebzehn Jahre später, in ihr Albergo zurückkehrten, schliefen sie – müde nach der langen Fahrt – sofort ein. Am nächsten Morgen war Simone schon wach, als Van Leeuwen die Augen aufschlug. Sie lag auf dem Rücken neben ihm, sah ihn an und fragte: »Gehen wir jetzt schwimmen ?«
    Er wusch sie und half ihr, den Badeanzug richtig herum anzuziehen, suchte eine Hose und eine Bluse für sie aus und achtete darauf, dass sie ihr Gesicht beim Schminken nicht in das eines Zirkusclowns verwandelte. Sie verließen das Hotel, aber schon nach wenigen Schritten zog Simone ihn in ein kleines Stehcafé, dessen Eingang mit einem Bambusperlenvorhang verhängt war. Neben der Tür stand ein einzelner runder Metalltisch mit zwei schlecht gepolsterten Stühlen. Aus dem Dunkel einen Nebenraums hinter einem weiteren Perlenvorhang drang leise Musik, eine Arie aus einer Oper, die Van Leeuwen nicht kannte. Die Häuser längs der Gasse hatten kleine vergitterte Fenster, und auf dem Pflaster glänzte noch die Kühle der Nacht, während die Dachrinnen schon das Sonnenlicht auffingen.
    Während des Frühstücks ließ Van Leeuwen Simone nicht aus den Augen. Warum dieses Café ?, dachte er. Weil es dunkel ist und leer ? Weil der Kaffeeduft sie angelockt hat ? Oder weil sie hier mit Sandro war ? Er beobachtete die Männer, die das Café betraten, schnell ihren Espresso tranken, Zigaretten kauften, ein Ciao, Paolo riefen und wieder gingen.
    War einer von ihnen Sandro ? Gab es ein geheimes Erkennungszeichen, ein Blinzeln, das ihm entging ? Warum blieb der Blick des Besitzers so lang auf Simone ruhen, als er ihr den Cappuccino servierte ? Erkannte er sie wieder ? Wusste er, wer Sandro war ?Van Leeuwen zog das Polaroid aus der Brusttasche und zeigte es dem Besitzer. »Sto cercando un uomo «, sagte er, » questo uomo. Il suo nome e Sandro ... « Der Besitzer schüttelte den Kopf, breitete bedauernd die Arme aus und sagte etwas, das Van Leeuwen nicht verstand. Nach dem Frühstück schlenderten sie durch die inzwischen belebten Gassen zum Wagen, wo er die Straßenkarte studierte. »Wie wär’s mit dem Lago Trasimeno ?«, fragte er seine Frau.
    Sie fuhren eine Stunde, und als sie den See erreichten, war es so warm, dass Van Leeuwen sich auf das Wasser freute. Der schmale Weg von der Straße zum See endete in aschgrauen Kieseln, der Strand lag menschenleer in der blendenden Sonne. Simone zog sich sofort aus, vergaß aber die Strümpfe. Bevor Van Leeuwen etwas sagen konnte, lief sie an ihm vorbei und warf sich lachend ins Wasser. Er sah ihr einen Moment lang zu, dann zog er sich aus, legte seine Sachen sorgfältig gefaltet auf das Badetuch und folgte ihr. Den Wagenschlüssel hatte er unter einem Brocken Vulkangestein versteckt.
    Das Wasser war am Ufer nicht sehr tief, und er musste ein gutes Stück waten, bis es seine Oberschenkel erreichte. Dann ließ er sich vornüberfallen und kraulte mit weit ausholenden Bewegungen. Simone blieb hinter ihm zurück. Er schwamm immer weiter, bis er nur noch die glitzernde Oberfläche und den Himmel sah. Je weiter das Ufer hinter ihm lag, desto kälter wurde das Wasser. Er wäre gern für

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