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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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er eine Decke im trockenen Gras aus. Simone sagte: »Erst schwimmen gehen.«
    »Siehst du hier irgendwo das Meer ?«, fragte Van Leeuwen. »Oder einen See ? Oder auch nur einen Bach ? Wenn du etwas gegessen hast, fahren wir weiter, und ich zeige dir, wo wir früher schwimmen waren. Erinnerst du dich an den kleinen Fluss unter dem Weinberg?«
    »Weißt du, wo wir hinfahren ?« Beunruhigt setzte Simone sich in ihrem zerknitterten Hosenanzug aus beigefarbenem Leinen auf die Decke und sah ihm zu, wie er einen Hühnerschenkel abriss und in eine Papierserviette wickelte, bevor er ihr das Ganze in die Hand drückte. Es dauerte nicht lange, bis ihr Mund, das Kinn und beide Wangen von Hähnchenfett glänzten, aber es schien ihr zu schmecken; sie summte wieder vor sich hin.
    Die Luft roch nach warmer Erde und Salbei. Über der Straße stand ein Habicht, gegen die Sonne kaum zu sehen. Der Himmel wahrte Abstand, lag weniger zudringlich auf den Hügeln als im Hochsommer. Die Pappeln am Straßenrand wirkten saftig und jung. Dort wo die Äcker und Felder über den Hügelkämmen verschwanden, wucherte fahlrotes Heidekraut unter den vereinzelten Zypressen. In der diesigen Ferne erhoben sich zwei Gutshäuser mit roten Schindeldächern – wie Scharniere, an denen die Erde hing.
    Auf der anderen Seite der Straße konnte Van Leeuwen ein Dorf erkennen, aber die Entfernung ließ sich nur schwer schätzen, denn das flirrende Mittagslicht verwischte die Konturen der ockerfarbenen Häuser. Im Schatten hinter den Toren der Scheunen und Ställe schimmerten Sensen und Mistforken. Aus dem Glockenstuhl eines klobigen Campanile fielen zwei Messingschläge und verklangen über dem Land. Weiter hinten türmten sich hohe Wolkengebirge, ohne näher zu rücken.
    »Komm mal her.« Van Leeuwen nahm eine Papierserviette und wischte Simone den Mund ab. »Möchtest du noch etwas Wein ?« »Möchte jetzt schwimmen«, sagte sie.
    »Ja«, sagte er, »später, wenn wir am Wasser sind.« Er griff in die Brusttasche seines Polohemds, holte das Foto von Sandro heraus und zeigte es seiner Frau. »Und das ?«, fragte er. »Erinnert dich das an was ?«
    Simone betrachtete das Polaroid. Ihre Miene veränderte sich nicht. Mit der freien Hand schob er ihr die Brille in die Stirn. »Sieh mich an«, sagte er. Sie blinzelte verwirrt und gehorchte. »Sandro«, sagte er.
    «Macht doch nichts«, sagte sie. Ihre braunen Augen blieben verschlossen, nur ihr Mund lächelte, als wollte sie ihm gleich sagen, dass sie ihn liebe.
    »Lass uns weiterfahren«, sagte er und steckte das Bild wieder ein.
    »Wo fahren wir hin ?«
    Am späten Nachmittag hatten sie Siena erreicht und den Alfa auf einem öffentlichen Parkplatz vor der Stadtmauer abgestellt, denn ihr Albergo lag in der für Autos gesperrten Altstadt. Es war dasselbe kleine Hotel, in dem sie beim ersten Mal gewohnt hatten, als sie noch auf den Cent schauen mussten, sogar dasselbe Zimmer. Und auch das Zimmer hatte sich nicht verändert; die staubigen Vorhänge, der abgetretene Linoleumboden mit Bastmatten zu beiden Seiten des Betts anstatt eines Teppichs, alles war gleich geblieben.
    Damals war Simone, kaum dass sie ihre Koffer abgestellt hatten, zu dem schlecht schließenden Fenster gegangen, um die Vorhängezuzuziehen. Daran erinnerte er sich genau, wie sie in dem honigfarbenen Halbdunkel begann, ihre Kleider auszuziehen, die Jeans, die olivfarbene Bluse, den Büstenhalter, das Höschen. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, fast wie aus Scham, und so blieb sie stehen, die Arme vor der Brust verschränkt, die Handflächen lagen auf den Schultern, als wollte sie sagen: Es ist so weit, ich warte.
    Auch er hatte sich ausgezogen und war zu ihr gegangen, hatte ihr den Arm um die Schulter gelegt, hatte sie zum Bett geführt und gefühlt, wie bereit sie für ihn war, als er sie nahm. Danach lagen sie nebeneinander auf der schmalen Matratze, hielten sich weiter umarmt. In dem kleinen Spiegel an der Schranktür konnte er Simones Hintern sehen, nur den Hintern. Vor dem Spiegel stand ein runder Tisch mit einer ziegelroten Decke unter einer Glasplatte. Auf dem Tisch lag Simones offene Handtasche und alles, was herausgerutscht war: Lippenstift, Geld, Kamm, Pass, eine Rolle Pfefferminzdrops.
    Er konnte seine Hände auf ihrem Hintern sehen, wie sie sich bewegten. Sie seufzte leise, dicht an seinem Ohr. »Weißt du, wie das ist ?«, flüsterte sie, »wie das ist, wenn du mich streichelst und küsst ? Als würdest du mich umdrehen, mein

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