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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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immer so weitergeschwommen.
    Schließlich kehrte er um und ließ sich zurücktreiben. Simone saß an einer seichten Stelle und bespritzte sich selbst mit Wasser. Als sie ihn erblickte, schwamm sie ihm entgegen, immer noch so geschmeidig wie ein Otter, sodass es einen Moment lang schien, als hätte es die letzten zwei Jahre nicht gegeben. Sie brauchte ihn nicht; sie brauchte nur das Wasser. Er drehte sich auf den Rücken und schloss die Augen, paddelte mit den Füßen und lauschte dem Wind und den heiteren Delphinlauten seiner Frau. Kleine Wellen plätscherten in seine Ohren, spülten über seine Lippen.
    Als er wieder an den Strand ging, folgte Simone ihm sofort und setzte sich auf das Badetuch. Er trocknete sie ab, damit sie sich nicht erkältete. Der Widerschein der Sonne auf dem See blendete ihn,aber er hatte seine Sonnenbrille im Auto gelassen. Simone hatte sich auf den Rücken gelegt und die Augen geschlossen. Er kramte ihre Dolce-Vita-Sonnenbrille zwischen ihren Sachen hervor und setzte sie auf. Ein wenig betäubt von der Sonne und der Stille starrte er auf das Wasser hinaus, bis das Bild zu flimmern begann. Die Brille half nicht sehr viel. Nichts half jemals viel. »Möchtest du zurückfahren?«, fragte er.
    Simone antwortete nicht. Ruhig hob und senkte sich ihre Brust im Schlaf. Ihre Fähigkeit zu schlafen war unerschöpflich. Durch die Brille betrachtet, hatte ihre Haut beinahe die gleiche Farbe wie die Strandkiesel. Van Leeuwen sah zu, wie sich an einigen Stellen Schweiß sammelte, unter ihrem Kinn, in den Achselhöhlen, am Brustansatz. Du solltest sie an die Stelle bringen, wo er sie gemalt hat, dachte er, wo sie nackt für ihn Modell lag. Vielleicht wohnt er da irgendwo in der Nähe.
    Ohne etwas zu essen, blieben sie bis zum Abend am Strand sitzen, während um sie herum andere Badegäste kamen und gingen. Als Simone wieder erwachte, schaute sie sich verwirrt um. »Wo sind wir?«, fragte sie.
    »Wir sind in Siena«, sagte er.
    »Du hättest mir sagen müssen, dass wir wegfahren.«
    »Und du hättest mir sagen müssen, dass du eine Affäre hattest«, sagte er. »Weißt du überhaupt, warum wir hier sind ?«
    Auf der Straße über ihnen drängten sich die Autos. Der Tag verwandelte sich in einen fliederfarbenen Abend. Der Strand leerte sich. Auf der anderen Seite des Sees reflektierten die Fenster eines hoch gelegenen Hauses die sinkende Sonne. Dann verschwand die Sonne ganz im Abenddunst, ohne dass es gleich dunkel wurde. Eine Zeit lang teilten sich Himmel und Wasser dasselbe Rot, in dem ein blasser Halbmond prangte, bevor es von dem tiefen Toskanaviolett abgelöst wurde, an das Van Leeuwen sich von früher erinnerte.
    » Andiamo «, sagte er. Sie zogen sich an und stiegen den schmalen Weg zur Uferstraße hinauf, und eine Stunde später sahen sie die erleuchtete Silhouette von Siena vor dem Nachthimmel auftauchen.
    » Sto cercando un uomo, il nome e Sandro ... «
    Er konnte nicht mehr tun, als Fragen zu stellen. Er begann mit den Speiselokalen und Bars rund um die Piazza del Campo, dann nahm er sich die Stehcafés, die Tabakläden und Zeitschriftenkioske vor. Er präsentierte das Polaroid wie einen Ausweis und sagte, dass er einen Mann suche, diesen Mann, der Sandro hieß, vielleicht ein Maler, ein Kellner oder Taxifahrer.
    Sto cercando un uomo, questo uomo, Sandro ...
    Überall erntete er dasselbe Kopfschütteln, dieselben ausgebreiteten Handflächen. Scusi, no conosco . Er verließ die Piazza und tauchte in die Nebenstraßen ein. Er ließ keinen Laden, keinen Imbiss, keine noch so winzige Eisdiele aus. An jedem Gemüsestand, bei jeder Blumenfrau blieb er stehen, zeigte das Polaroid und fragte nach Sandro. Scusi, Signora, il mio nome e Van Leeuwen, commissario Van Leeuwen ...
    Aber es war, als spürten die Menschen, dass er diesen Sandro nicht aus lauteren Motiven suchte, nicht wie ein Polizist einen Verbrecher oder auch nur einen Zeugen suchte oder suchen sollte; dass sie ihm deswegen nicht helfen mussten. Ihre Lippen blieben versiegelt. Er hätte ein Austernmesser gebraucht, um sie aufzubrechen, und selbst dann hätte sich vielleicht herausgestellt, dass sie die Wahrheit sagten, dass sie diesen Mann namens Sandro nicht kannten und nie gesehen hatten.
    Simone schlief. Nachdem er ihr beim Abendessen ein Glas unverdünnten Wein zu trinken gegeben hatte, damit sie müde wurde, hatte er sie gewickelt und zugedeckt und ihr einen Gutenachtkuss gegeben, bevor er noch einmal aufgebrochen war, um, wie ihm jetzt

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