...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
anderen, ebenso wichtigen Angelegenheit aussprechen.« Er lächelte ihr zu.
Elvira Erling speicherte schnell einen Namen ab. Michaela Dietz. Aha, na, mal sehen. Zu den Kanters sagte sie: »Sie beide scheinen mir öfter auf Hilfe von außen angewiesen.«
Das Lächeln ihrer Augen, das Tausende verschiedene Nuancen annehmen konnte, schimmerte diesmal gutmütig.
»Du magst Elvira«, stellte Tanja fest, als sie gegangen war.
Walter Kanter gab sich keine Mühe mehr, es zu verbergen. »Ja. Sie ist eine beeindruckende Frau.«
Tanja legte ihren Arm auf den ihres Vaters. »Ich freue mich für dich, wirklich. Wurde auch Zeit, dass du mal wieder etwas mehr an dich denkst.«
»Ich habe ein schlechtes Gewissen dir gegenüber«, gestand Walter Kanter.
Tanja schaute ihn fragend an. »Ein schlechtes Gewissen? Wieso?«
»Mein Glück baut sozusagen auf deinem Unglück auf. Hättest du den Unfall nicht gehabt . . . und den hattest du nur, weil du und Michaela . . . weil das mit euch beiden nicht funktioniert hat.«
»So ein Unsinn. Vergiss das mal schnell wieder. Du hast Elvira kennengelernt, weil sie meine Ärztin war, ja. Aber alles andere ist doch wirklich der pure Zufall. Das Leben ist nun mal so. Eine Sache zieht die andere nach sich. Manchmal können wir Einfluss darauf nehmen und manchmal nicht. Aber selbst wenn wir es können, heißt das noch lange nicht, dass die Dinge sich so entwickeln, wie wir es wollen. Es kann auch das absolute Gegenteil von dem passieren, was wir beabsichtigen. Es sind einfach zu viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Während wir hier sitzen und uns unterhalten, könnte Elvira auf dem Heimweg etwas passieren. Sind wir dann daran schuld, weil sie zum Abendessen bei uns war, oder weil wir sie zu genau dem Zeitpunkt verabschiedet haben, wie wir es nun taten, nicht früher oder später? Wohl kaum.«
Walter Kanter setzte sich in seinen Lieblingssessel. »Du hast recht. Es ist müßig, darüber zu spekulieren.«
Tanja setzte sich ihm gegenüber. »Genauso müßig, wie es ist, dir meine Ideen hinsichtlich einiger Änderungen in der Firma nahezulegen?«
Kanter lächelte nachsichtig. »Du erwischst mich heute in Geberlaune. Also gut. Reden wir darüber. Aber . . .« Er hob die Hand, als Tanja sofort mit ihren Erläuterungen beginnen wollte. »Vorher hole ich noch eine Flasche von diesem köstlichen Wein aus dem Keller, den wir zum Abendessen hatten.«
Das Gespräch mit ihrem Vater brachte Tanja die Einsicht, dass ihr Vater nicht zu den Menschen gehörte, die aufgrund einer Verliebtheit alles um sich herum vergaßen. Aber, Tanja lächelte verschmitzt vor sich hin, ein klein wenig weicher machte es ihn denn doch.
Er war gewillt, sich ihren Ideen zu öffnen, mit Vorbehalt, wie er betonte. Tanja sollte ihre Ideen in konkrete Empfehlungen fassen, diese mit Fakten und Zahlen belegen. Dann wollte er sie dem Vorstand vorlegen. Was nicht hieß, dass der Vorstand die Empfehlungen guthieß.
Tanjas Einwurf, dass sein Wort genügte, den Beschluss des Vorstandes umzukippen, überging er mit den Worten: »Ja, aber ich habe es mir nun mal zur Gewohnheit gemacht, meinem Vorstand zuzuhören. Dazu habe ich ihn ja.«
Dennoch war Tanja mit ihrem Teilerfolg zufrieden.
26.
» J ana. Hallo. Schön, dass du kommen konntest.« Elvira Erling stand auf, begrüßte ihre Nichte mit einer Umarmung.
Jana küsste ihre Tante flüchtig auf die Wange. »Du weißt doch genau, wie du mich kriegst, Tantchen. Bei deinen mysteriösen Andeutungen musste ich ja kommen. Die Neugier zerreißt mich schier. Erzähl, worum geht es?«
»Zunächst einmal, bitte nenn mich nicht Tantchen. Ich hasse das, und das weißt du«, beschwerte Elvira Erling sich, allerdings mit wenig Ernst in der Stimme.
»Tschuldigung«, gluckste Jana.
»Und zum zweiten, immer mit der Ruhe. Willst du auch einen Kaffee oder lieber etwas anderes?«
»Ich denke, ich kann einen Kaffee gut vertragen. Bin völlig ausgelaugt. Der Tag war höllisch stressig.«
Elvira bestellte bei der vorbeikommenden Bedienung zwei Kaffee.
»Aber nun endlich raus damit«, verlangte Jana. »Wie komme ich zu dieser unverhofften Einladung?«
Elvira lächelte leicht. »Es wird dir seltsam vorkommen. Aber ich brauche dein unerschöpfliches Wissen über die Lesbenszene.« Sie wappnete sich innerlich vor dem unvermeidlichen, witzelnden Kommentar.
»Tantchen! Du willst doch nicht das Ufer wechseln?« ließ Janas sensationslüsterner Ausruf Elvira dennoch zusammenzucken. »Ups. Tante
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