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Und wir scheitern immer schoener

Titel: Und wir scheitern immer schoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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konnte. Wahrscheinlich nie begreifen würde. Doch die Gedanken kamen immer zurück. Und vorbei war die Kindheit, und Lebensernst fickte mein Gehirn.
     
    Ich hingegen fickte gerne weibliche Kälber. Junges Fleisch mit breitem Becken hinten. Das war gut und machte auch Gedanken weg. Meine Jugend hatte schon begonnen, und irgendwann bekamen auch die Kälber Kälber. Und es war ein Segen, daran beteiligt gewesen zu sein.
     
    Eines sehr heißen Tages standen erneut Menschen am Gatter. Instinktiv verspürte ich, dass sie heute mich im Visier hatten. Ich wusste mal wieder nichts, als sie die Wiese betraten und zu fünft auf mich zugingen. Langsam und mit Bedacht liefen sie zunächst als Gruppierung, dann trennten sie sich, aber alle bewegten sich weiter auf mich zu. Die Menschen hatten Rohre dabei. In ihren Blicken war etwas sehr Beängstigendes, und so erhob ich mich vom Gras und rannte erst mal los, neben mir die Angst und hinter mir die Menschen. Plötzlich dann ein Schmerz und leichter Blutaustritt an meinem Hals. Es begann diese Müdigkeit, gegen die ich nicht mehr anrennen konnte. Durch meinen ganzen Körper fuhr eine Schwere, die ich bislang nie gespürt hatte. Meine Angst hatte mich bereits über- und die Menschen mich eingeholt. Das Letzte, was ich dann sah, waren die tränenfeuchten Augen meiner Eltern und meiner Kinder. Ich war dran. Sie holten mich. Sie hatten mich. Ich entschwand, erregt von unbekanntem Schwindel, in erhabenen Schlaf.
     
    Als ich mit elenden Schmerzen erwachte, war ich umgeben von Stangen. Eine Wiese für mich ganz allein, aber begrenzt auf die Ausmaße meines Körpers. Unter mir kein Halm Gras, sondern Holz. Ich versuchte aufzustehen, war aber zu schwach und zu verwirrt, um mich überhaupt koordiniert zu bewegen. Dies ist der Himmel, flüsterte eine Stimme in mir.
     
    Eine sanfte Stimme war das, betörend und verführerisch, und nach dem anfänglichen Schmerz begann ich wieder etwas Kraft zu schöpfen. Vor mir war ein Gatter, das erkannte ich. Außerdem schien über mir die Sonne zu sein. Ich atmete einige Male heftig durch und versuchte noch einmal aufzustehen. Diesmal gelang der Versuch, und ich stand auf meinen vier Beinen und schrie. Nichts passierte. Ich hörte Menschen, ich roch Menschen. Menschenschweiß. Viele Menschen. Ich schien jedoch das einzige Tier zu sein, wenn ich mich noch auf meine Witterung verlassen konnte. Ich hob meinen Kopf, immer noch leicht benebelt und trunken vom betäubten Schlaf, um einen Blick über das Gatter zu tun und erblickte ...
     
    ... Menschen in Massen. Ein Menschenfest. Sie waren alle sehr laut und in einem Halbkreis angeordnet. Alles war bunter und lauter, als es mein Rindergehirn wahrnehmen konnte. Du bist der Gott der Menschen, flüsterte es nun sanft in mir, du bist es, deswegen bist du hier, deswegen sind auch alle Menschen heute hier. Alle Menschen dieses Universums waren heute hier, um mir zu huldigen. Ich war Gott. Meine Schmerzen ließen nach, den mein Bewusstsein hatte mich erhaben gemacht.
     
    Und da stand ich nun auf meiner alleinigen Wiese, den Blick auf die Menschenmasse gerichtet, die mir zujubelte. Vor mir war ein großes Sandfeld zu sehen. Darauf befanden sich auch Menschen mit seltsamen Tüchern und Stangen in ihren Händen. Raus hier will ich, mir huldigen lassen! Ich versuchte das Gatter mit meinem Kopf zu spalten, was mir aber nicht gelang. Es blieb verschlossen. Irgendetwas in mir, ein bislang unbekannter Trieb, verlangte von mir, dieses große, gelbe Feld zu betreten und mich von den Menschen bewundern zu lassen. Die Menschen bekamen mit, dass ich meine holzgrundierte Solowiese verlassen wollte, und wurden noch lauter als zuvor. Ich schnaubte und schrie. Man sollte mich endlich befreien.
    Der Schmerz war ganz weg und Adrenalin und reines Stierblut erfüllten meinen Körper. Glück war auch dabei, und diese ganze Triebmixtur machte mich rasend. Aufbäumend. Huftretend. Kopfschlagend. Öffne man das Tor und lasse man mich zu ihnen, schrie es in mir.
     
    Und genau das taten sie dann. Hier kommt der neue Gott zu euch. Das Gatter wurde von Menschenhand geöffnet, und als ich die Freiheit spürte, mich nach vorn bewegen zu können, nahm ich meine ganze Kraft zusammen und rannte der tobenden und jubilierenden Menschenmasse entgegen. Die gab vor Ekstase, angefacht durch mein strahlendes Antlitz, den höchsten Geräuschpegel von sich, den ich jemals vernommen hatte. Alle Menschen. Hier. Für mich.
     
    Die auf dem Sandfeld

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