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Und wir scheitern immer schoener

Titel: Und wir scheitern immer schoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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befindlichen Menschen machten angespannte Gesichter, als sie mich rennen sahen. Aber das war mir erst einmal egal und ich begann die Grenzen der Sandwiese wahrzunehmen, indem ich herumrannte und überall, wo ich Zäune sah, hinter denen sich Menschen tummelten, kehrtmachte.
     
    Meine ganze Kraft erblühte wie der Frühling schlechthin, ich hätte stundenlang im Kreis und ohne bestimmten Weg auf diesem Gelände herumlaufen können. Ich war in freudiger Erwartung, was denn nun käme. Und erst mal kam gar nichts.
     
    Ich bemerkte lediglich, dass die drei Menschen auf der Sandwiese sich von mir zu distanzieren versuchten, sobald ich ihnen zu nahe kam. Sie schwenkten ihre reizvollen Tücher als Begrüßung und tanzten und rannten wie ich. Ein Fest. Ein Fest. Ein Fest. Für mich. Für mich. FÜR MICH!!!
     
    Nähern wollte ich mich den Menschen. Ihren ganzen Tumult begreifen, den sie hier um mich veranstalteten. In Menschennähe gab es aber nur Erstaunen und nichts weiter. Irgendwann wollte ich nicht mehr rennen, sondern wissen, was es mit den drei speziellen Menschen, die mit mir auf dem Sandgrund tanzten, auf sich hatte. Aber immer, wenn ich ihren Weg kreuzte, schwenkten sie ihre Tücher und ließen mich vorbei. Wahrscheinlich hatten sie Angst vor meiner Erhabenheit und Kraft, war irgendwann mein Eindruck. Ich sollte mich ihnen auf eine weniger aggressive Art nähern.
     
    Ich blieb also vor einem mit Menschen gefüllten Rang stehen und es regnete Stimmen um Stimmen in mein Gehirn. Die Menschheit völlig außer sich hinter mir lassend, stolzierte ich auf einen dieser drei herumstehenden Reiztuchschwenker zu. Stille. Plötzlich Stille. Menschen- und Rinderaugenpaar begegneten sich für Sekunden. Dann ...
     
    ... Schmerz. Der Mensch hatte etwas nach mir geworfen, was nun in meinem Leib steckte und schreckliche Schmerzen beim Gehen verursachte. Ich taumelte. Außer mir. Schreiend. Taumelnd. Blutend. Stark blutend. Das geworfene Ding steckte direkt in meinem Herzmuskel, denn bei jedem Herzschlag pulsierte Blut aus meinem Körper und verursachte eine Hölle von Unaussprechlichkeit und wahrhaftiger Undenkbarkeit in mir. Die Wahrnehmung schwand im Takt des Blutschwalls und ich fiel zu Boden. Die drei Menschen kamen auf mich liegendes, todesnahes Geschöpf zu. Alle hatten Rohre dabei und stießen sie in meinen Leib. Ich vermutete meinen Tod, spürte ihn anklopfen. Ganz nah. Kalt wurde es in mir, um mich. Alles kalt und anders als zuvor. Kein Menschenschrei mehr in meinen Ohren, nur noch mein Blut, dass sich vornahm, mich komplett zu verlassen. Rohre im Hals, in fast allen Organen und mein Blut überall auf dem Sand.
     
    Das sind die Menschen, dachte ich noch vor meinem Dahinscheiden. Da töten sie mich zu ihrer Belustigung. Jetzt kenne ich das Geheimnis ... und es ist widerlich.
     
    Was ich dann noch sah, war ein junger Mensch, der sich zu mir herunterbeugte. Er hatte etwas in der Hand und entfernte meine Genitalien damit. Auch da war noch viel Blut, das mich verließ, und der Mensch hielt das hoch, was mal meine Potenz war. Da war aber dann schon kein Schmerz mehr, sondern nur noch Trauer, bevor alles dunkel und leise wurde. In meinen Augen verschwand der Realismus. Dem Leben entgleitend dachte ich an das, was mal meine Gedanken waren.
     
    Aber ich sah sie alle wieder ...
     
    ... die, die gut zu mir waren, ...
     
    ... und wir versenkten unsere Liebe in unserem Blut!
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Das Scherbenmädchen
     
     
    Ich sitze in einem Straßencafé. Trinke dort Mineralwasser. Es ist Sommer. Ich hasse Sommer. Man schwitzt und muss sein rotes Gesicht jedem zeigen. Typen gucken auf die Makellosigkeit der Frauen. Glatte Haut, dünner Bauch, Designerhaare, Tattoos an den richtigen Stellen, eine Bewegung im Minirock, ein enges Shirt, und die Typen drehen durch. Bei mir leider nicht. Leider gucken Männer auch in Gesichter. Meins mag ich keinem zeigen. Es ist kaputt. Zerrissen. Vernarbt. Gerötet. Entzündet. Verdorben. Verwelkt. Befallen. Gefaltet. Unbrauchbar zum Schönfinden.
     
    Es war ein scheinbar dummer Unfall. Ich war ein Kind. Ein großes Haus. Ich suchte meinen Vater in diesem Haus. Der hätte in jedem Raum sein können. Davon gab es viele. Ich rief. Keine Antwort. Ich rief. Nichts. Stille im Haus. Dann kam ich ins abgedunkelte Wohnzimmer. Im Radio lief Klaviermusik, irgendwas von Chopin. Mein Vater saß vor dem

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