Undercover ins Glück
Schulter. »Vielleicht hast du einfach noch nicht dein Trinkalter erreicht. Vielleicht liegst du jetzt noch im Regal und wartest darauf, zu deinem größten Potenzial heranzureifen.«
Darüber dachte Martin nach. »Du willst also damit sagen … dass ich wie der Pahlmeyer Sonoma Coast Pinot bin.«
Na klar, genau das hatte sie gemeint. »Ja. Das bist du.«
»Man erwartet große Dinge vom Pahlmeyer, weißt du?«
Jordan lächelte. »Dann sollten wir alle besser ganz genau aufpassen.«
Der Gedanke schien Martin aufzuheitern. Mit wiedererstarkter guter Laune verschwand er erneut im Weinkeller, um eine weitere Kiste Zinfandel nach oben zu tragen. Währenddessen kehrte Jordan zu ihrem Mittagessen zurück. Es war drei Uhr Nachmittags, was bedeutete, dass sie schnell essen musste, weil sie sonst keine Gelegenheit mehr hatte, bevor der Laden um neun Uhr schloss.
Wein war angesagt, eine der wenigen Branchen, die trotz der Wirtschaftskrise weiterliefen. Aber Jordan war der Meinung, dass der Erfolg ihres Geschäfts auf mehr zurückzuführen war als nur auf einem Trend. Sie hatte monatelang nach dem perfekten Standort gesucht. Er musste an einer Hauptstraße liegen, wo es viel Fußgängerverkehr gab. Und er musste groß genug sein, um zusätzlich zu dem Ausstellungsraum für den Wein Platz für Tische und Stühle zu bieten. Mit seinen warmen Tönen und dem freigelegten Mauerwerk strahlte der Laden eine intime Atmosphäre aus, die Kunden anzog und dafür sorgte, dass sie eine Weile blieben.
Die klügste Geschäftsentscheidung, die sie getroffen hatte, war die Beantragung der Schankerlaubnis gewesen. Damit durfte sie in ihrem Laden Wein ausschenken und servieren. Sie hatte entlang des Schaufensters Bartische und -stühle aufstellen lassen und die gemütlichen Nischen zwischen den Weinregalen mit zusätzlichen Sitzgelegenheiten ausgestattet. An praktisch jedem Tag, den sie geöffnet hatten, fanden sich ab fünf Uhr nachmittags jede Menge Kunden ein, die Wein in Gläsern bestellten und sich danach aufschrieben, welche Flaschen sie kaufen wollten.
Heute war jedoch kein solcher Tag.
Draußen fiel unablässig Schnee. Um sieben Uhr abends korrigierten die Wetterfrösche ihre Vorhersagen und prophezeiten nun unglaubliche zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimeter Neuschnee. Die Menschen blieben in Erwartung des Sturms lieber zu Hause. Jordan hatte für diesen Abend eine Weinprobe geplant, aber jemand von der Gruppe rief an und bat um einen anderen Termin. Martin hatte einen längeren Heimweg, also schickte sie ihn etwas früher nach Hause. Um halb acht begann sie, den Laden dichtzumachen, da es äußerst unwahrscheinlich war, dass noch Kunden kommen würden.
Als sie vorne fertig war, kehrte Jordan ins Hinterzimmer zurück, um die Musikanlage abzustellen. Ohne die Mischung aus Billie Holiday, The Shins und Norah Jones, die sie für die musikalische Untermalung an diesem Tag ausgewählt hatte, wirkte der Laden unheimlich still. Sie hatte sich gerade ihre Schneestiefel von ihrem Platz hinter der Tür geschnappt und sich hingesetzt, um sie anstelle der schwarzen Lederschuhe anzuziehen, die sie trug, als die Glocke am Eingang ertönte.
Doch noch ein Kunde. Wie überraschend.
Sie stand auf und trat aus dem Hinterzimmer. Dabei fragte sie sich, wer verzweifelt genug war, um bei diesem Wetter Wein besorgen zu müssen. »Sie haben Glück. Ich wollte gerade dicht…«
Sie verstummte, als ihr Blick auf die beiden Männer fiel, die an der Eingangtür standen. Aus irgendeinem Grund verspürte sie ein Kribbeln im Nacken. Vielleicht lag es an dem Mann, der näher an der Tür stand. Er wirkte nicht wie ein typischer Kunde. Er hatte kastanienbraunes Haar, und ein leichter Bartschatten verlieh seinem Gesicht ein verruchtes Aussehen. Er war groß und trug einen schwarzen Wollmantel über seinem offensichtlich gut gebauten Körper.
Dieser Mann war nicht der Typ für Mokassins. Anders als Cal Kittredge war dieser Bursche auf eine markante, männliche Art gut aussehend. Er hatte etwas … Wildes an sich. Abgesehen von seinen Augen. Die waren so grün wie Smaragde und stellten einen strahlenden Kontrast zu seinem dunklen Haar und dem Dreitagebart dar. Er musterte sie intensiv.
Dann trat er einen Schritt vor.
Jordan trat einen Schritt zurück.
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem leichten Grinsen, als würde er das amüsant finden. Jordan überlegte, wie schnell sie es zum Notfallknopf unter dem Tresen schaffen konnte.
Der blonde Mann, der eine
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