Undercover ins Glück
deswegen an ihn wandte – für gewöhnlich war es Anthony, der, was Geheimnisse anging, die Verschwiegenheit eines Vierjährigen an den Tag legte.
»Warum? Was soll denn dieses Wochenende sein?«, fragte er unschuldig.
»Ach, nichts Besonderes. Ich habe nur gehört, dass dein Vater und ihr Jungs eine Geburtstagsparty für meinen Sechzigsten plant.«
Dieser dämliche Anthony.
»Und gib ja nicht Anthony die Schuld«, sagte seine Mutter schnell, um ihren Jüngsten zu schützen. »Ich hatte schon alles von deiner Tante Donna erfahren, bevor er sich verplappert hat.«
Nick wusste schon, wie die nächste Frage lauten würde, bevor die Worte ihre Lippen verließen.
»Und? Bringst du jemanden mit?«, fragte sie.
»Tut mir leid, Ma. Ich komme allein.«
»Was für eine Überraschung.«
Er bog in den Weg ein, der zur Tiefgarage seines Hauses führte. »Nur damit du vorgewarnt bist, ich fahre jetzt in die Garage. Könnte sein, dass die Verbindung abbricht.«
»Wie praktisch«, sagte seine Mutter. »Weil ich eine wirklich nette Predigt für dich vorbereitet hatte.«
»Lass mich raten: Ich soll mich auf etwas anderes als die Arbeit konzentrieren, und du sehnst dich danach, vor deinem baldigen Tod ein Enkelkind in den Armen zu halten. Bin ich nah dran?«
»Nicht schlecht. Aber ich hebe mir den Rest für Sonntag auf. Ich habe vor, meine Worte mit dramatischen Gesten zu unterstreichen, und das kommt am Telefon nicht so gut rüber.«
Nick lächelte. »Schockierenderweise freue mich ich darauf. Ich sehe dich dann am Sonntag, Ma.«
Ihre Stimme wurde weich. »Ich weiß doch, wie beschäftigt du bist, Nick. Es bedeutet mir viel, dass du nach Hause kommst.«
Am frühen Samstagmorgen bekam Nick einen weiteren Anruf.
Er öffnete die Augen und sah, dass es draußen noch dunkel war. Dann rollte er sich im Bett herum und spähte auf den Wecker auf dem Nachttisch. Fünf Uhr achtunddreißig.
Er griff nach dem Telefon und warf einen Blick auf die Anruferkennung. Huxley.
Heute war der große Tag, und Nick konnte die Begeisterung des Junioragenten nachvollziehen. Huxley hatte jedes Recht, wegen seiner ersten verdeckten Ermittlung aufgeregt zu sein.
Aber nicht um fünf Uhr achtunddreißig.
Er ging dran. Seine Stimme war leise und noch ganz kratzig. »Um diese Uhrzeit hoffe ich, dass wenigstens jemand tot ist, Huxley.«
Am anderen Ende der Leitung war ein gequältes Stöhnen zu hören. Nick setzte sich auf. »Huxley?«
Eine schwache Stimme antwortete: »Niemand ist tot. Aber ich stehe kurz davor.«
7
Nick klingelte an der Eingangstür des Hauses, in dem Huxley wohnte. Während er auf den Stufen wartete, sah er sich um.Trotz des Schneesturms vor einer Woche waren die Stufen, der Weg und der Bürgersteig vollkommen schneefrei. Auf dem Hof lag nicht ein einziges Körnchen Streugut, und die immergrünen Pflanzen im Beet waren in einer Reihe perfekter Dreiecke gepflanzt.
Das war definitiv Huxleys Zuhause.
Er klingelte noch einmal und wartete ein paar Sekunden, bevor er versuchte, die Tür zu öffnen. Huxley hatte ihm gesagt, er solle hereinkommen, wenn er indisponiert sei. Nick drückte die Haustür auf und betrat vorsichtig das stille Haus. Instinktiv legte er seine Hand auf die Waffe in seinem Schulterholster, doch dann besann er sich. Das, was Huxley erwischt hatte, ließ sich nicht mit Kugeln aufhalten.
Nick blieb im Gang stehen. »Huxley? Leben Sie noch?« Zu seiner Linken befand sich eine Treppe nach oben, und vor ihm erstreckte sich ein dunkler Flur. Hier schien es nirgendwo Licht zu geben. Er überprüfte das Badezimmer zu seiner Rechten. Es war leer.
Dann hörte er eine schwache Stimme. »Hier drinnen.«
Nick folgte der Stimme durch den Flur. Seine Schritte auf dem Parkett waren das einzige Geräusch im Haus. Der Flur endete in einem geräumigen Wohn- und Essbereich, der aussah wie aus einem Möbelhauskatalog. Dort sah er Huxley.
Oder zumindest vermutete er, dass es sich um Huxley handelte.
Der sonst so tadellos wirkende Agent, den er stets in dreiteiligen Anzügen und Hemden gesehen hatte, lag mit dem Gesicht nach unten flach ausgestreckt auf der großen beigefarbenen Couch. Mit einer Hand hielt er sich an einem Papierkorb fest, der auf dem Boden davor stand. Statt des üblichen Anzugs trug er eine Jogginghose und ein T-Shirt. Seltsamerweise hatte er nur eine Socke an. Nick legte seinen Mantel ab und näherte sich der Couch. Huxley hob schwach den Kopf. Seine Augen waren glasig, und seine Haare standen auf einer
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