Undercover
lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht. In ihrem Blick lag Geringsc hätzung, da war er ganz sicher. Wellen umspülten ihre Füße, das Wasser war wärmer als der regennasse Sand.
„Ich meine wirklich . Nicht nur so einen Kinderkram“, sagte sie.
Sie trat mit den Füßen ins Wasser, dass es spritzte.
„Wie würdest du es tun?“, fragte sie jetzt.
„Was?“
„Mensch!“ Ihre Augen funkelten, und an der Schläfe bemerkte er eine hervortretende Ader. Was für ein Spiel spie lt sie, dachte er und sagte lässig :
„ Abknall en.“
„Abknall en?“ Sie beeilte sich, ihm zu folgen, und darüber lächelte er befriedigt. Jetzt drehte er den Spieß um.
„Klar, ist sauber und schnell.“
Nachdenklich, mit gerunzelter Stirn , ging sie neben ihm her und saugte an ihrem Strohhalm.
Er beobachtete zwei Surfer, die weit draußen rittlings auf ihren Bretter saßen und auf die richtige Welle warteten.
„Aber...wo kriegt man einen Revolver her?“ Sie spielte das Spiel verblüffend ernsthaft.
„Na ja , manche Leute haben einfach einen“, sagte er.
Abrupt blieb sie stehen.
„Hast du einen?“
Allmählich war er nicht mehr sicher, ob sie es nicht doch ernst meinte .
„K önnen wir nicht über was anderes reden?“ Er gab sich Mühe, g elangweilt zu wirken .
Eine Welle brach sich und lief mit einem leisen Knistern auf dem Sand aus.
Da sagte sie:
„Du hast einen, stimmt’s?“
Es war plötzlich still. Da krachte die nächste Welle. Noch nie war ihm der Zeitraum zwischen zwei sich brechenden Wellen so lang vorgekommen.
„Stimmts?“, wiederholte sie.
Ihre beharrliche Ernsthaftigkeit an diesem Thema verdarb ihm die Laune. Und er sagte:
„Also, reden wir jetzt von etwas anderem?“
Sie wandte den Blick ab.
„Ich bin sicher, dass du einen hast.“
Vielleicht wollte sie ihm ja auf diese Weise etwas über sich und ihre Probleme mitteilen?
„He“, sagte er also, „nun rück’ schon raus mit der Sprache: Wen willst du umbringen?“
Sie wandte sich ihm wieder zu. Ihre Augen blitzten. Wieder sich brechende Wellen. Die Stille dazwischen. Keine Antwort.
Nach einer Weile, in der sie stumm nebeneinander hergegangen waren, sagte sie :
„ Okay, reden wir über was anderes. “
Obwohl ihr Ton ihn nicht gerade ermutigte, wollte er nun doch nicht kapitulieren und fragte sie nach der Schule, ihren Zukunftsplänen, nach ihrer Mutter, ihrem Vater und ob sie Geschwister habe. Sie antwortete einsilbig, sie wisse nicht, was sie nach der Schule machen wolle, das Geschäft ihrer Mutter wolle sie jedenfalls nicht über nehmen, ihr Vater war vor drei Jahren verstorben, sie habe keine Geschwister und zwei mal die Woche jobbe sie im Tea Room an der Promenade. Ihn fragte sie nichts. Es wurde allmählich kühler, die letzten Badegäste verließen den Strand, und er wollte nur noch nach Hause und allein sein.
„Ich muss heim“, sagte er, „mein Hund wartet.“
Sie gingen schweigend zurück. Am Auto ang ekommen sagte sie:
„He, sorry . Heute war kein guter Tag.“ Sie lächelte ihn plötzlich an.
Er fühlte sich zu erschöpft und beklommen, um etwas zu erwidern. Mit einem Plopp sprang die Zentralverriegelung auf. Er stieg ein. Sie griff unter den Sitz und hielt ein Tütchen in der Hand.
„Auch eine?“
„Was ist das?“
„W as zum C hillen . Würde dir gut tun!“
Er schüttelte den Kopf.
„Ich schenk’ dir eine.“
„Nein, diese Dinger bringen einen um.“
Sie lachte laut.
„Ach, die sind harmlos, Heroin bringt einen um.“
Sie warf eine der weißen Pillen in den Mund, trank aus einer Plastikflasche, die auf dem Rücksitz gelegen hatte, und klebte das Tütchen wieder unter den Sitz . Dann setzte sie ein verführerisch es Lächeln auf.
„Kommst du morgen mit in den Surf Club, zur Weihnachtsparty?“ Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. Ein angenehmer Schauer überlief ihn.
Er war ein paar Mal im Surf Club unten am Strand gewesen, doch er hatte sich nicht wohl gefühlt, weil er allein gekommen war und niemanden kannte, weil alle viel tranken und tanzten, und er an der Theke stand und sich nicht traute, eine Frau anzusprechen.
„ Klar , cool “, hörte er sic h sagen.
Sie zog ihre Hand weg und lächelte zufrieden . Als sie ihn vor seinem Haus absetzte, winkte sie sogar, und er glaubte allmählich, sich ihre Ablehnung am Anfang nur eingebildet zu haben.
Beim Essen sah er fern, und als er eine Sendung über einen Postflieger entdeckte, dachte er, dass vielleicht jetzt die Zeit gekommen
Weitere Kostenlose Bücher