Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Einfahrt des nächsten Zuges sechzehn Minuten. Das Minimum wäre gar keine Wartezeit gewesen.
Die minimale Wartezeit trat nicht ein. Der Tunnel blieb still und dunkel.
»Hände hoch!«, rief der Agent, ein Weißer von ungefähr vierzig Jahren, nochmals. Bestimmt ein ehemaliger Soldat. Verteidigungsministerium, nicht FBI . Vom gleichen Typ wie die drei Kerle, die ich schon erlebt hatte. Aber vielleicht ein bisschen älter. Vielleicht ein bisschen cleverer. Vielleicht ein bisschen besser. Vielleicht war dies keine zweite, sondern eine erste Mannschaft.
»Sonst schieße ich«, sagte der Chefagent. Doch das würde er nicht tun. Eine leere Drohung. Sie wollten den USB -Stick. Ich wusste, wo er war, sie nicht.
Die mittlere Wartezeit bis zur Einfahrt des nächsten Zuges: acht Minuten. Sie konnte ebenso gut länger als kürzer sein. Der Kerl mit der Pistole machte einen weiteren Schritt auf mich zu. Seine drei Kollegen folgten. Die vier Feds jenseits der Gleise standen still. Der junge Kerl auf der Bank glotzte verständnislos herüber.
Der Tunnel blieb still und dunkel.
Der Chefagent sagte: »Dieser ganze Ärger könnte in einer Minute vorbei sein. Sagen Sie uns einfach, wo er ist.«
Ich fragte: »Wo was ist?«
»Das wissen Sie.«
»Welcher Ärger?«
»Wir verlieren allmählich die Geduld. Und Sie übersehen einen wichtigen Faktor.«
»Der wäre?«
»Was Sie an intellektuellen Fähigkeiten besitzen, dürfte kaum einzigartig sein. Tatsächlich sind sie wohl eher durchschnittlich. Das bedeutet: Wenn Sie’s rauskriegen konnten, können wir’s auch rauskriegen. Und das bedeutet: Ihre weitere Existenz könnte aus Zweckmäßigkeitsgründen überflüssig werden.«
»Nur zu«, sagte ich. »Kriegen Sie’s doch raus.«
Er hob die Pistole höher und gerader. Es war eine Glock 17. Vollgeladen ungefähr siebenhundert Gramm schwer. Die bei Weitem leichteste Dienstwaffe auf dem Markt. Teilweise aus Kunststoff hergestellt. Der Kerl hatte kurze dicke Arme. Wahrscheinlich konnte er diese Haltung endlos lange beibehalten.
»Letzte Chance«, sagte er.
Jenseits der Gleise stand der junge Mann von seiner Bank auf und ging davon. Mit langen, unregelmäßigen Schritten, nicht ganz in gerader Linie. Er war bereit, im Tausch für ein ruhiges Leben auf die schon vorgenommene Teilentwertung seiner Metrocard im Wert von zwei Dollar zu verzichten. Er erreichte den Ausgang und verschwand.
Keine Zeugen.
Die mittlere Wartezeit bis zum nächsten Zug: etwa sechs Minuten.
Ich sagte: »Ich weiß nicht, wer Sie sind.«
Der Kerl erwiderte: »Federal Agents.«
»Beweisen Sie’s mir.«
Der Kerl zielte weiter auf meine Körpermitte, nickte aber dem Agenten hinter ihm zu, der in das Niemandsland zwischen uns vortrat. Dort blieb er stehen, griff in die Innentasche seines Jacketts und zog ein Etui aus Leder heraus. Er hielt es mir in Augenhöhe hin und ließ es aufklappen. Das Etui enthielt zwei Dienstausweise. Ich konnte keinen davon entziffern. Sie waren zu weit entfernt, und beide steckten hinter verkratzten Plastikfenstern.
Ich trat vor.
Er trat vor.
Ich machte eineinviertel Meter vor ihm halt und erkannte im oberen Fach des Etuis einen Standardausweis des Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency. Er sah echt aus, und seine Gültigkeit war nicht abgelaufen. Im unteren Fach steckte eine Art Bescheinigung oder Ermächtigung, die besagte, dem Inhaber sei jede nur mögliche Unterstützung zu gewähren, da er in direktem Auftrag des Präsidenten der Vereinigten Staaten handle.
»Sehr nett«, sagte ich. »Besser, als sich den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen.«
Ich trat zurück.
Er trat zurück.
Der Chefagent erklärte: »Nicht viel anders als das, was Sie früher gemacht haben.«
»In prähistorischer Zeit«, sagte ich.
»Was ist das, eine Egosache?«
Mittlere Wartezeit bis zur nächsten U-Bahn: fünf Minuten.
»Eine praktische Sache«, antwortete ich. »Will man etwas richtig gemacht kriegen, muss man’s selbst machen.«
Der Mann senkte den Arm. Jetzt zielte er auf meine Knie.
»Ich schieße«, sagte er. »Sie denken oder reden oder erinnern sich nicht mit Ihren Beinen.«
Keine Zeugen.
Versagt alles andere, hilft nur noch reden.
Ich fragte: »Weshalb wollen Sie’s?«
»Was?«
»Sie wissen, was.«
»Nationale Sicherheit.«
»Angriff oder Verteidigung?«
»Natürlich Verteidigung. Es würde unsere Glaubwürdigkeit beschädigen. Es würde uns um Jahre zurückwerfen.«
»Glauben Sie?«
»Das wissen
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