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Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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wir.«
    Ich sagte: »Arbeiten Sie weiter an diesen intellektuellen Fähigkeiten.«
    Er zielte mit seiner Pistole genauer. Auf mein linkes Schienbein.
    Er sagte: »Ich zähle bis drei.«
    Ich sagte: »Viel Glück dabei. Melden Sie sich, wenn Sie nicht weiterwissen.«
    Er sagte: »Eins.«
    Dann: Auf dem Gleisbett neben mir begannen die Schienen leicht zu zittern. Seltsame metallische Harmonien eilten einem Zug voraus, der noch weit entfernt im Tunnel war. Gleich danach folgten ein Schwall heißer Luft und ein tieferes Rumpeln. Scheinwerferlicht erhellte eine Biegung in der Tunnelwand. Eine Sekunde lang geschah nichts. Dann kam der Zug in Sicht, noch immer schnell, wegen der Kurve in leichter Schräglage. Er schwankte, verlor seine Schräge und kam herangerast. Dann packten die Bremsen quietschend und kreischend zu. Der Zug wurde langsamer und fuhr neben uns ein: eine silbrige Schlange aus rostfreiem Stahl und hellem Neonlicht, zischend, knirschend und ächzend.
    Ein R-Train stadtauswärts.
    Ungefähr fünfzehn Wagen, in jedem eine Handvoll Fahrgäste.
    Zeugen.
    Ich schaute zu dem Chefagenten hinüber. Die Glock 17 steckte wieder unter seinem Jackett.
    Wir befanden uns am Nordende des Bahnsteigs. R-Trains bestehen aus älteren Wagen, die jeweils vier zweiflüglige Türen haben. Der Führerwagen hielt neben uns. Ich stand ziemlich ge-
nau an der ersten Tür. Die Feds waren den Türen drei und vier näher.
    Auf der gesamten Zuglänge öffneten sich die Türen.
    Ganz weit hinten stiegen zwei Leute aus. Sie gingen weg und verschwanden.
    Die Türen blieben offen.
    Ich wandte mich der U-Bahn zu.
    Die Feds wandten sich der U-Bahn zu.
    Ich trat vor.
    Sie traten vor.
    Ich blieb stehen.
    Sie blieben stehen.
    Ich musste mich entscheiden: Ich konnte durch die erste Tür einsteigen, worauf sie durch die Türen drei und vier einsteigen würden. In denselben Wagen . Wir konnten die ganze Nacht gemeinsam herumfahren. Oder ich konnte den Zug ohne mich abfahren lassen und mindestens zwanzig Minuten wie zuvor mit ihnen auf diesem Bahnsteig festsitzen.
    Die Türen blieben offen.
    Ich trat vor.
    Sie traten vor.
    Ich trat in den Wagen.
    Sie traten in den Wagen.
    Ich zögerte kurz, dann ging ich rückwärts, wieder auf den Bahnsteig hinaus.
    Sie traten rückwärts hinaus.
    Wir standen alle still.
    Vor mir schlossen sich die Türflügel. Wie ein endgültiger Vorhang. Die Gummidichtungen knallten aneinander.
    Ich spürte das Vibrieren starker Ströme in der Luft. Massive Anfahrströme. Die Motoren kamen heulend auf Touren. Fünfhundert Tonnen Stahl begannen zu rollen.
    R-Trains bestehen aus älteren Wagen. Sie haben schmale Trittleisten unter und U-förmige Regenrinnen über den Türen. Ich machte einen Satz nach vorn, hakte meine Finger in die Regenrinne und fand mit den rechten Zehen Halt auf der Trittleiste. Dann mit den linken. Ich machte mich an Stahl und Glas so flach wie möglich, klebte wie ein Seestern an der leicht gewölbten Flanke des U-Bahnwagens. Die MP 5 bohrte sich in meine Brust. Ich klammerte mich mit Fingern und Zehen fest. Der Zug beschleunigte. Der Fahrtwind zerrte an mir. Die gemauerte Tunnelkante kam geradewegs auf mich zu. Ich hielt den Atem an, spreizte Arme und Beine noch weiter, zog den Kopf ein und legte das Gesicht ans Glas. Der Zug saugte mich seitlich in den Tunnel – mit kaum mehr als fünfzehn Zentimetern Abstand zur Tunnelwand. Ich blickte an meinem gestreckten Ellbogen vorbei und sah den Chefagenten weiter auf dem Bahnsteig stehen. Mit einer Hand bändigte er sein Haar, mit der anderen hob er seine Glock und ließ sie dann wieder sinken.

76
     
    Die Fahrt war albtraumhaft. Unglaubliches Tempo, heulendes Dunkel, ohrenbetäubender Lärm, kaum erkennbare Hindernisse, die direkt auf mich zuzurasen schienen, extreme körperliche Belastung. Der ganze Zug schwankte, hüpfte, bockte, ruckte und schlingerte unter mir. Jeder einzelne Schienenstoß drohte, mich von der Tür loszureißen. Ich grub meine acht Finger in die flache Regenrinne und presste beide Daumenballen von unten dagegen, drückte die Zehen auf die Trittleiste und klammerte mich verzweifelt fest. Der Fahrtwind zerrte an meiner Kleidung. Die Türflügel flatterten und zitterten. Mein Kopf schlug mehrmals heftig dagegen.
    So surfte ich neun Blocks weit. Dann erreichten wir die 23rd Street, und der Zug bremste scharf. Mein Gewicht verlagerte sich seitlich, sodass die linke Hand belastet und der rechte Fuß entlastet wurde. Ich klammerte mich weiter fest

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