Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Schlimmstenfalls wollten sie mich mehr als die anderen. Ich wusste, wo sich der USB -Stick befand. Lilas Kerle wussten es nicht.
Ich saß still.
Dreißig Meter von mir entfernt teilten die sieben Männer sich auf. Zwei blieben halb rechts von mir in Position. Zwei hasteten nach links, holten in weitem Bogen aus und waren zu meiner anderen Flanke unterwegs. Drei gingen weiter, um hinter mich zu gelangen.
Ich stand auf. Die beiden Kerle rechts von mir setzten sich in Bewegung. Das Paar links von mir war mitten in seinem Umgehungsmanöver. Die drei hinter mir konnte ich nicht sehen. Ich vermutete, dass die Männer vom NYPD schon auf den Beinen waren. Auch die Feds waren vermutlich in Bewegung.
Eine fließende Situation.
Ich rannte los.
Geradeaus zu dem U-Bahn-Eingang sechs, sieben Meter vor mir. Die Treppe hinunter. Hinter mir hörte ich polternde Schritte. Laute Echos. Eine ganze Horde. Fast vierzig Kerle, die ich wie ein Rattenfänger in einer wilden Jagd hinter mir herzog.
Ich erreichte einen gekachelten Gang, der auf die unterirdische Plaza hinausführte. Diesmal spielte hier kein Geiger. Es gab nur abgestandene Luft, Müll und einen alten Mann, der ihn mit einem ausgefransten Besen von einem Meter Breite zusammenkehrte. Ich rannte an ihm vorbei, bremste auf den neuen Sohlen rutschend, änderte meine Richtung und spurtete zum R-Train stadtauswärts. Ich setzte mit einer Flanke über das Drehkreuz, erreichte die Plattform und rannte ganz bis zu ihrem Ende weiter.
Und machte halt.
Und drehte mich um.
Hinter mir kamen drei einzelne Gruppen angerannt. Die erste bestand aus Lila Hoths sieben Kerlen. Sie hasteten auf mich zu, erkannten, dass ich in eine Sackgasse geraten war, und blieben stehen. Ich sah wölfische Genugtuung auf ihren Gesichtern, dann, wie sie zu der unvermeidlichen Schlussfolgerung gelangten: zu gut, um wahr zu sein. Manche Gedanken sind in jeder Sprache klar. Sie warfen sich herum, entdeckten hinter sich die Kerle von der Abteilung Terrorabwehr und unmittelbar hinter den Cops vier der acht Federal Agents.
Auf dem Bahnsteig hielt sich sonst niemand auf. Keine unbeteiligten Zivilisten. Auf dem Bahnsteig in Richtung Innenstadt saß ein einzelner Mann auf einer Bank. Jung. Vielleicht betrunken. Vielleicht bekifft. Er starrte zu dem plötzlichen Aufruhr hinüber. Es war zwanzig vor vier Uhr morgens. Der Kerl wirkte benommen, als begriffe er nicht so recht, was sich ihm gegenüber abspielte.
Das Ganze hätte ein Bandenkrieg sein können. In Wirklichkeit sah er jedoch eine schnelle und effiziente Festnahme durch New Yorker Cops. Sie stürmten alle laut schreiend mit gezogenen Waffen und vorgewiesenen Plaketten heran, nutzten ihre athletischen Körper und ihre hohe zahlenmäßige Überlegenheit und überrannten die sieben Kerle einfach. Praktisch ohne Gegenwehr. Sie schlugen sie nieder, warfen sie auf den Bauch, fesselten ihnen die Hände auf dem Rücken und transportierten sie ab. Keine Pausen. Keine Verzögerungen. Keine Belehrungen über ihre Rechte. Nur maximale Geschwindigkeit und Brutalität. Eine perfekte Taktik. Buchstäblich Sekunden später waren sie wieder verschwunden. Echos hallten und verhallten. In der U-Bahn-Station wurde es erneut still. Der Typ auf der Bank starrte weiter herüber, aber plötzlich war da nur ein fast leerer Bahnsteig, an dessen Ende ich stand, während die vier Federal Agents sich etwa zehn Meter von mir entfernt postiert hatten. Nichts zwischen uns. Überhaupt nichts. Nur grelles weißes Licht und leerer Raum.
Fast eine Minute lang passierte gar nichts. Dann sah ich jenseits der Gleise die vier anderen Feds auf dem Bahnsteig in Richtung Innenstadt auftauchen. Sie bauten sich genau mir gegenüber auf. Alle lächelten, als hätten sie einen cleveren Schachzug gemacht. Und das hatten sie. Eine erneute Flucht über die Gleise wäre zwecklos gewesen. Die vier Agenten auf meiner Seite versperrten mir den Weg zum Ausgang. Hinter mir hatte ich eine glatte weiße Wand und die Tunnelmündung.
Schachmatt.
Ich stand reglos da. Atmete die schlechte Luft ein, horchte auf das schwache Brausen der Lüftung und das Rumpeln entfernter Züge irgendwo im Untergrund.
Der mir am nächsten stehende Agent griff in sein Jackett und zog eine Pistole.
Er trat einen Schritt auf mich zu.
Er sagte: »Hände hoch!«
75
Nachtfahrplan. Zwanzig Minuten Abstand zwischen den Zügen. Wir hielten uns seit etwa vier Minuten hier unten auf. Folglich betrug das rechnerische Maximum bis zur
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