Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
geräumt. Nichts deutete darauf hin, dass eine Rückkehr beabsichtigt war.
Lila Hoth, einen Schritt voraus.
Jack Reacher, einen Schritt hinter ihr.
Ich streifte den Handschuh ab, zog meinen Reißverschluss wieder hoch und fuhr in die Hotelhalle hinunter. Ich setzte den Nachtportier auf, sodass er mit dem Rücken an der Theke lehnte, und riss ihm das Klebeband vom Mund.
Er sagte: »Nicht wieder schlagen.«
Ich fragte: »Warum sollte ich das nicht?«
»Nicht mein Fehler«, antwortete er. »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Sie haben die Zimmernummern verlangt. Die habe ich Ihnen gegeben.«
»Wann sind sie abgehauen?«
»Ungefähr zehn Minuten nach Ihrem ersten Besuch.«
»Sie haben sie angerufen?«
»Ging nicht anders, Mann.«
»Wohin wollten sie?«
»Keine Ahnung.«
»Was haben sie Ihnen gezahlt?«
»Einen Tausender«, sagte er.
»Nicht schlecht!«
»Pro Zimmer.«
»Wahnsinn«, sagte ich. Das war es wirklich. Für dieses Geld hätten sie ins Hotel Four Seasons zurückgehen können. Nur durften sie das nicht riskieren – was der springende Punkt war.
Ich blieb im Halbdunkel auf dem Gehsteig der Seventh Avenue stehen. Wohin wollten sie? Und vor allem: Wie? Nicht mit Autos. Angekommen waren sie mit fünfzehn Personen. Dafür hätten sie mindestens drei Autos gebraucht. Und in verblichenen alten Hotelkästen mit nur einem Nachtportier gab es keinen Parkservice durch Hoteldiener.
Taxis? Auf dem Hinweg möglich, wenn sie am späten Abend aus der Innenstadt gekommen waren. Aber um drei Uhr morgens von der Seventh Avenue wegfahren? Acht Personen hätten mindestens zwei leere Taxis gebraucht, die zufällig hätten vorbeikommen müssen.
Unwahrscheinlich.
U-Bahn. Möglich, sogar wahrscheinlich. Kaum einen Block weit von hier entfernt verkehrten drei Linien. Nachtfahrplan, maximal zwanzig Minuten Wartezeit auf dem Bahnsteig, dann ein Entkommen in Richtung Innenstadt oder stadtauswärts. Aber wohin? Das Ziel durfte keinen langen Fußmarsch am anderen Ende erfordern. Eine Gruppe von acht Personen, die einen Gehsteig entlanghastete, war sehr auffällig. Auf den Straßen waren sechshundert Federal Agents unterwegs. Das einzige noch infrage kommende Hotel, das ich kannte, lag noch weit westlich der unter der Eighth Avenue verkehrenden Linie. Mindestens eine Viertelstunde Fußmarsch. Da war die Gefahr, entdeckt zu werden, viel zu groß.
Also die U-Bahn, aber wohin?
New York City. Fast achthundertdreißig Quadratkilometer. Genau gesagt 82880 Hektar. Acht Millionen Einzeladressen. Ich stand da und sortierte die Möglichkeiten wie eine Maschine.
Kein Treffer.
Dann lächelte ich.
Sie reden zu viel, Lila.
Ich glaubte, wieder ihre Stimme zu hören. Im Teesalon des Four Seasons. Sie sprach über die afghanischen Kämpfer. Beschwerte sich aus ihrer angeblichen Perspektive über sie. In Wirklichkeit prahlte sie mit ihren eigenen Leuten und spottete über die fruchtlosen Versuche der Roten Armee, sie zu stellen und vernichtend zu schlagen. Sie hatte gesagt: Die Mudschaheddin waren clever. Sie hatten die Angewohnheit, wieder Stellungen zu besetzen, die wir als verlassen abgeschrieben hatten.
Ich ging zum Herald Square zurück. Zum R-Train. Ich konnte an der Fifth Avenue und 59th Street aussteigen. Von dort aus war es nur ein kurzer Weg zu den alten Gebäuden in der 58th Street.
77
Die drei Altbauten in der 58th Street sahen still und dunkel aus. Halb fünf Uhr morgens in einem Viertel, in dem die meisten Geschäfte nicht vor zehn Uhr öffneten. Ich beobachtete sie aus fünfzig Metern Entfernung. Aus einem dunklen Hauseingang jenseits der Madison Avenue. Die Tür mit der einzelnen Glocke war mit polizeilichem Tatort-Absperrband abgeriegelt. Das linke der drei Gebäude. Das mit dem ehemaligen Restaurant im Erdgeschoss.
Kein Licht hinter den Fenstern.
Keine sichtbaren Aktivitäten.
Das Absperrband schien intakt zu sein. Und es war garantiert mit einem offiziellen NYPD -Siegel gesichert. Mit einem kleinen Rechteck aus Papier, das in Höhe des Schlüssellochs Tür und Rahmen verband. Es klebte vermutlich noch unbeschädigt dort.
Was bedeutete, dass es einen Hintereingang geben musste.
Wegen des Restaurants war das sehr wahrscheinlich. Restaurants produzieren allen möglichen unangenehmen Müll. Den ganzen Tag lang. Er riecht schlecht und lockt Ratten an. Auf dem Gehsteig darf man ihn nicht einfach stapeln. Am besten kippt man ihn am Hinterausgang in verschlossene Tonnen, die man abends vors Haus rollt, damit
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