Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
verworfen. Das FBI ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht dumm. Also hatten die Agenten in der 35th Street ihre wahren Fragen an mich hinter einer Nebelwand getarnt.
Was hatten sie mich noch gefragt?
Sie hatten herauszufinden versucht, wie groß mein Interesse wirklich war, hatten mich nochmals gefragt, ob Susan mir etwas gegeben habe, und hatten sich bestätigen lassen, dass ich abreisen würde. Sie hatten gewollt, dass ich nicht zu neugierig würde und mit leeren Händen verschwand.
Weshalb?
Ich hatte keine Ahnung.
Und was bezeichnete 600-82219-D genau, wenn es keine Telefonnummer war?
Ich blieb weitere zehn Minuten bei einer letzten Tasse Kaffee sitzen, nahm immer nur kleine Schlucke, behielt die Augen offen, ohne viel zu sehen, und versuchte, mich von hinten an die Antwort ranzuschleichen. Wie Susan Mark aus der falschen Richtung aus der U-Bahn hatte kommen wollen. Ich stellte mir die Ziffern vor, gedehnt, einzeln, zusammen, in unterschiedlichen Kombinationen, mit Zwischenräumen und Bindestrichen, in Gruppen.
Die 600 kam mir irgendwie bekannt vor.
Susan Mark.
600.
Aber ich kam nicht drauf.
Ich trank den Kaffee aus, steckte Leonids Handy wieder ein und machte mich auf den Weg nach Norden, zum Sheraton.
Das Hotel war ein riesiger Glasturm mit einem Plasmabildschirm in der Halle, der alle Veranstaltungen des Tages anzeigte. Der große Ballsaal war zum Lunch für eine Gruppe gebucht, die sich FT nannte. Fair Tax oder Free Trade, vielleicht sogar die Financial Times selbst. Eine plausible Tarnung für eine Gruppe von Wall-Street-Kapitalisten, die darauf aus waren, sich noch mehr Einfluss zu kaufen. Ihre Veranstaltung sollte um zwölf Uhr beginnen. Ich rechnete mir aus, dass Sansom versuchen würde, gegen elf Uhr hier zu sein. Er würde noch etwas Zeit und Ruhe benötigen, um sich vorzubereiten. Für ihn war dies eine wichtige Zusammenkunft. Diese Leute waren seine Klientel, und sie konnten großzügig spenden. Er würde mindestens sechzig Minuten brauchen. Das bedeutete, dass ich noch zwei Stunden totschlagen musste. Ich ging zum Broadway und fand zwei Blocks weiter nördlich einen Jeansladen. Ich wollte ein neues Hemd. Mein jetziges gefiel mir nicht mehr. Es war ein Symbol meiner Niederlage. Kommen Sie nicht in diesen Klamotten, sonst lässt man Sie nicht rein. Falls ich Elspeth Sansom wiedersah, wollte ich nichts anhaben, das an mein Versagen und ihren Erfolg erinnerte.
Ich entschied mich für ein dünnes Ding aus khakifarbenem Popelin und zahlte elf Dollar dafür. Billig, aber auch nicht mehr wert. Es hatte keine Taschen, und die Ärmel endeten eine Handbreit über meinen Handgelenken. Mit hochgeschlagenen Manschetten verdeckten sie eben noch meine Ellbogen. Aber mir gefiel es ganz gut. Ich hatte es immerhin aus freien Stücken gekauft.
Um zehn Uhr dreißig Uhr war ich wieder in der Halle des Sheraton. Ich saß in einem Sessel, umgeben von vielen Menschen. Die eine Hälfte war nach draußen unterwegs, um auf Autos oder Taxis zu warten, die andere Hälfte strömte von der Straße herein, um auf Zimmer zu warten.
Um zehn Uhr vierzig wurde mir endlich klar, was 600-82219-D bedeutete.
34
Ich erhob mich und folgte gravierten Messingschildern zum Business Center im Hotel. Aber ich konnte nicht hinein. Dazu brauchte man einen Zimmerschlüssel. Ich trieb mich drei Minuten vor der Tür herum, bis ein Mann aufkreuzte. Er trug einen Anzug und schien es eilig zu haben. Ich wühlte demonstrativ in meinen Hosentaschen und trat dann mit einer gemurmelten Entschuldigung zur Seite. Der andere Typ drängte sich an mir vorbei und benutzte seine Schlüsselkarte, um die Tür zu öffnen, und ich folgte ihm hinein.
In dem Raum gab es vier identische Arbeitsstationen. Jede bestand aus einem Schreibtisch, einem Bürostuhl, einem PC und einem Drucker. Ich setzte mich möglichst weit von dem anderen Mann entfernt hin und schaltete den Bildschirmschoner des Computers durch einen Druck auf die Leertaste aus. So weit, so gut. Ich studierte die Icons auf dem Bildschirm, konnte aber nichts mit ihnen anfangen. Aber ich stellte fest, dass ein kleines Feld mit Erklärungen erschien, wenn ich mit Mauszeiger auf sie deutete, als wäre ich unschlüssig oder wolle mich nur informieren. So identifizierte ich den Internet Explorer und klickte zweimal darauf. Die Festplatte surrte, und der Browser öffnete sich. Weit schneller als bei dem letzten PC , an dem ich gesessen hatte. Vielleicht machte die Computertechnik wirklich
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