Undines Rache
klebte. »Du kannst es mir glauben, John, aber das hier habe ich beim besten Willen nicht vorgehabt.«
»Ich hätte es dir auch nicht zugetraut.«
»O – danke.«
»Stellt sich nur die Frage, wie sie uns erledigen wollen. Eine Kugel wäre das einfachste.«
»Das denke ich auch.«
»Und woran denkst du wirklich, alter Junge?« fragte ich.
Bill Conolly bekam einen Schauer. Seine Wangen zuckten, die Stimme sackte ab. »Ich denke an mein Zuhause. Ich denke an meine Frau, meinen Sohn, und ich stelle mir vor, wie Sheila reagieren wird, wenn sie hört, was mit uns geschehen wird. Wie bringt sie es Johnny bei?«
»Bill!« Ich funkelte ihn an. »Soweit sind wir noch lange nicht. Du mußt dich zusammenreißen.«
»Muß ich das? Oder hast du keine Angst?«
»Ja, verdammt, die habe ich.«
»Es gibt keine Menschen, die nicht von einer irren Angst erfaßt werden, wenn sie dicht davorstehen…«
»Wir leben noch, verdammt!«
»Klar.« Er leckte über seine Lippen, und einige Erdkrümel fielen ab. »Ich warte nur darauf, bis mich die kalte Mündung berührt wie die Fingerspitze des Sensenmanns.«
Bill irrte sich. Auch ich unterlag einem Irrtum. Zugleich wurden wir von kräftigen Händen wuchtig in die Höhe gerissen und auf die Beine gestellt. Allein und aus eigener Kraft konnten wir natürlich nicht stehenbleiben, die beiden Henker stützten uns ab und erklärten uns, für welche Todesart sie sich entschieden hatten.
»Wir sind die Freunde des Wassers. Und das Wasser, das heilen und den Weg in das Paradies führen kann, hat auch eine andere Eigenschaft. Es kann töten. Es tötet den, der es nicht beherrscht. Und ihr gehört zu denen, die das nicht können. Deshalb wird das Wasser zu eurem nassen Grab werden.«
»Fahren wir auf den See?« keuchte Bill.
»Ja.«
Er fing mit einem kratzigen Lachen an. »Das habe ich mir schon immer gewünscht.«
»Was? Zu ertrinken?«
»Ja. Bei meinem Durst.«
Er hatte seinen Galgenhumor wieder, aber darum kümmerten sich die Henker nicht. Sie schleiften uns zum Ufer.
In dieser Schräglage rutschten wir dem Wasser entgegen. Mein Gesicht drückte auf die gefesselten Hände. Es war nicht angenehm, ließ sich aber aushalten. Hinter meiner Stirn tuckerte es. Ich hatte noch immer mit den Folgen des Pistolenschlags zu kämpfen, aber ich riß mich zusammen.
Als ich mich auf die rechte Seite rollte, konnte ich einen Teil des Sees überblicken. Es war mittlerweile Zeit vergangen, und die Sonne hatte sich hinter einem Wald versteckt.
Noch sickerte ihr Licht in das dunkle Grün hinein und zauberte all die hellen Flecken in den Wald, doch es würde sehr bald der Zeitpunkt eintreten, wo dies nicht mehr der Fall war. Dann sank die Finsternis der Nacht über dem Land zusammen, was wir höchstwahrscheinlich nicht mehr erleben würden.
So sehr mir der See auch beim ersten Anblick gefallen hatte, das war vorbei. Er kam mir vor wie eine gewaltige Falle, die nur darauf wartete, uns verschlucken zu können. Der See war so tief, so unausgewogen, geheimnisvoll und gefährlich. Sicherlich war sein Grund nicht nur vom Schlamm bedeckt, sondern von einem großen Wald aus Pflanzen, der unsere Leichen mit seinen gewaltigen Armen umfangen würde. Meine Gedanken wurden durch dumpf klingende und rumpelnde Geräusche unterbrochen. Die beiden Killer waren unter den Steg gekrochen. Sie mußten unser Schlauchboot entdeckt haben, und würden es sehr bald als Leichenschiff zweckentfremden.
Der Kloß in meinem Hals wuchs. Er wurde dichter. Wenn ich an meinen nahenden Tod dachte, dann rann dieser Gedanke wie dickes Blut durch meine Adern, das sich im Kopf festsetzte und sich dort einfach nicht mehr lösen wollte.
Konnte man sich damit überhaupt abfinden?
Nein, ich wollte es nicht, und ich suchte noch immer nach einer Chance, dieser Hölle zu entfliehen. Es klappte nicht, denn die Fesseln hielten mich in ihren Klauen. Diese Hanfstricke, so dünn sie auch sein mochten, waren tief in die Haut hineingeschnitten und hatten Streifen hinterlassen. Durch die Fesseln war auch die Blutzirkulation beeinträchtigt, aber damit ließ sich leben. Nur eben nicht mit dem Gedanken, daß man uns in den See werfen würde, wo wir elendig ertranken.
»Ich bin bereit.«
Die Stimme des Mannes riß mich aus meinen Gedanken. Ich sah ihn auch. Er stand aufrecht im Schlauchboot, das vom Steg weg auf das Wasser hinausgefahren war, aber noch mit dem Balken vertäut blieb. Sein Kumpan kam zu uns. Er sprang auf den Steg, und wir merkten, wie
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