Undines Rache
Körper und erreichte als Echo die Ohren. Hinter der Stirn lasteten Gewichte wie ein schwerer Druck. Ich war zudem nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Die allmählich wieder ansteigende Furcht sorgte für ein Zusammenziehen meines Magens. So ähnlich wie mir mußte es einem Kandidaten in der Todeszelle ergehen, der täglich mit seiner Hinrichtung rechnen mußte, wobei ihm der genaue Zeitpunkt zuvor nicht bekanntgegeben wurde. Irgendwann holten sie ihn dann ab…
Uns hatte man schon geholt, und wir befanden uns nicht in der brutalen Nüchternheit eines Todestraktes, sondern inmitten einer paradiesischen Landschaft, wo die Natur noch in Ordnung war.
Doch der Tod war allgegenwärtig, und das sollten wir zu spüren bekommen.
Unser Schlauchboot schwang nur leicht hin und her. Es wiegte sich auf den flachen Wellen, und sehr bald hörte auch dies auf. Wir lagen fast still. Das dauerte so lange, bis sich der Killer am Heck erhob. Er stellte sich nicht hin, statt dessen kroch er auf uns zu und hievte zuerst mich in die Höhe. Er drehte mich dabei herum, so daß ich mit dem Rücken gegen den Innenwulst der Bordwand stieß.
Dann kümmerte er sich um Bill Conolly. Auch er nahm die gleiche Haltung ein.
Meine Augen brannten. Ich hatte Mühe, das Ufer zu erkennen, von dem wir gekommen waren. Neben mir flüsterte Bill etwas, das ich nicht verstand. Möglicherweise betete er, und dabei bezog er auch seine Familie mit ein. Ich hielt die Lippen fest zusammengepreßt. Wenn ich Luft holte, dann nur durch die Nase.
Es war dunkler geworden. Die ersten Schatten legten sich über den See, aber sie waren nicht so düster wie das Gebiet, in dem wir dümpelten. Ich hatte das Gefühl, auf einem sehr grünen, geheimnisvollen Teppich zu schaukeln, der aus einem klaren Wasser bestand, dessen Klarheit sich allerdings in der Tiefe verlor und so düster wurde, daß sich selbst Ungeheuer darin verbergen konnten.
Uns erwartete der Tod. Was kam davor? Die unbeschreibliche Qual, allmählich zu ersticken? »Packen wir es?« fragte der Killer vom Bug. Sein Kumpan schüttelte den Kopf. »Was ist denn los?«
»Der See gefällt mir nicht.«
»Wieso?«
»Weiß ich auch nicht.« Er hob die Schultern und schaute auf die Oberfläche. »Ist er nicht düsterer als sonst? Ich habe versucht, hineinzuschauen, es ist mir nicht gelungen. Da ist irgend etwas, das sich dagegen sperrt.«
»Wie meinst du das?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Ich habe das Gefühl, unter dem Wasser Konturen gesehen zu haben. Sie sahen aus wie Berge mit Spitzen und auch Graten.«
»Das bildest du dir ein.«
»Wahrscheinlich.«
»Deshalb sollten wir es jetzt packen und so rasch wie möglich wieder verschwinden.«
Die beiden waren sich einig, und sie griffen auch zu. Plötzlich tauchten sie vor mir auf. Von verschiedenen Seiten erschienen ihre Gesichter in meinem Blickfeld. Ich sah die seltsam dünne Haut, die blassen Augen, die in tiefen Höhlen lagen, und ich fragte mich trotz allem, was mit diesen Menschen los war. Sie wirkten so, als würden sie jeden Augenblick zusammenbrechen, aber ihre Kraft war nicht zu unterschätzen. Ich unternahm einen letzten Versuch, sie umzustimmen. »Noch könnt ihr es euch überlegen«, sagte ich leise. Für einen Moment, er kam mir lang vor, starrten sie mich an. Ich schöpfte Hoffnung, dann aber schüttelten sie die Köpfe.
»Du bist ein Verräter an unserer Sache. Die Vollkommenheit darf dir und deinem Freund nicht gestattet werden. Das Wasser wird euch weder heilen noch führen, sondern töten. Wie alles in der Welt vereinigt es Gut und Böse. Wir haben uns das Gute ausgesucht. Wir leben von ihm…«
»Vom Wasser?«
»Nicht nur.«
Nach dieser für mich rätselhaften Antwort hoben sie mich gemeinsam an. Ich spürte den Wulst der Bordwand in meinem Rücken und sprach keuchend in ihre Gesichter hinein. »Ihr werdet den Weg nach Aibon nicht finden, ihr nicht. Ihr…«
Sie gaben mir einen Stoß. Ich kippte nach hinten weg. Für einen winzigen Augenblick glaubte ich, von der Wasserfläche fortgetragen zu werden. Es war leider nur Einbildung, denn einen Moment später schlugen die Wellen über mir zusammen.
Ich sank.
Mich packte die Kälte des Sees. Ich würde von meinem eigenen Gewicht in die Tiefe gerissen werden, in den Schlamm tauchen, falls ich nicht zuvor erstickt war.
Als ich mich noch in der Luft befand, hatte ich noch einmal Atem schöpfen können. Er würde für eine kleine Weile reichen, aber irgendwann mußte
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