Undines Rache
ausprobiert und sich dabei auf dunkle Farben verlassen hatte. Die Oberfläche schwand vor meinen Blicken dahin, sie war düster, aber es schimmerten an gewissen Stellen auch hellere Reflexe, als hätte das Wasser dort das Mondlicht eingefangen, um von seiner Kraft zu leben.
Dieser See war ein kleines Wunder, und in seiner Tiefe steckten ebenfalls Wunder.
Es hatte für mich nichts zu sehen gegeben, keine Nixe, auch nicht die geheimnisvolle Undine, deshalb beschloß ich, mich unter Deck umzuschauen. Nichts war verschlossen. Ich ließ den Niedergang hinter mir und betrat die Kabinen.
Es gab gleich mehrere davon. Sie waren ziemlich klein. Wer hier übernachtete, mußte sich mit den engsten Verhältnissen zufrieden geben. Deshalb wunderte ich mich, als ich in einer Kabine, in der es weder ein Fenster noch ein Bullauge gab, überhaupt keine Schlaf-und Sitzgelegenheit sah, dafür aber, und das war für mich wirklich kaum zu begreifen, nur Spiegel an den Wänden.
Ich verließ mich nach wie vor auf meine kleine Leuchte, und die glänzenden Wände mit den hellen Reflexen irritierten mich. Diese Kabine mußte eine besondere Bedeutung haben, denn die Freunde des Wassers hatten die Wände bestimmt nicht mit Spiegeln verkleidet, um ihrer Eitelkeit zu frönen. Inmitten der Kabine war ein Hindernis aufgebaut worden. Als ich es sah, dachte ich zuerst an ein Taufbecken, denn so ähnlich sah es auch aus. Das Becken stand auf einem steinernen Bein und breitete sich als ein Achteck aus.
Ich schaute hinein.
Es war leer.
Allerdings blitzten im Lampenschein an den Rändern einige Kristalle, als wäre hier Flüssigkeit mit einer relativ hohen Salzlösung verdampft worden. Dieser Raum mußte für diese Männer so etwas wie ein besonderes Heiligtum sein. Hatte er etwas mit ihrer Vollkommenheit zu tun, nach der sie trachteten?
Ich hatte meine Zweifel, konnte es allerdings nicht ganz ausschließen. Es war zudem müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Ich mußte so schnell wie möglich ein Versteck finden und hoffte, daß ich nicht zu viele Spuren hinterlassen hatte.
Als ich wieder an Deck stand, atmete ich tief durch. Ich war beruhigt, daß ich die Männer nicht mal hörte, und ich suchte nach einem Platz, wo ich mich verstecken konnte.
Es gab eigentlich nur einen Ort. Ich fand am Heck ein Beiboot, über das eine Plane gestreift war. Die Persenning saß relativ locker. Ich schob sie etwas höher und konnte in das Boot klettern, wo es zwar nicht sonderlich bequem war, es sich allerdings aushalten ließ. Gerade als ich die Plane wieder nach unten zog, hörte ich die Stimmen der Männer und auch, wie die Tür an der Rückseite aufgeschoben wurde.
Mein Herzschlag beruhigte sich. Das war gerade noch einmal gutgegangen. Hoffentlich kamen die Freunde des Wassers nicht auf den Gedanken, im Beiboot nachzuschauen.
Zunächst betraten sie das Deck. Das Boot geriet in leichte Schaukelbewegungen. Die Männer verteilten sich, einer ging ins Ruderhaus, wie ich durch einen Spalt erkennen konnte. Die anderen blieben nicht weit von mir entfernt stehen.
Unter anderem sah ich Justus Fontain, der mir sein Profil zuwandte und mit jemandem sprach, den er Jacob nannte.
»Du solltest daran nicht mehr denken, Jacob.«
»Ich kann nicht anders. Warum sind Graham und George nicht zu uns zurückgekehrt? Ausgerechnet die beiden, das frage ich dich. Ich will nicht daran glauben, daß sie sich abgesetzt haben.«
»Die Gelegenheit ist günstig gewesen.«
»Daran glaubst du doch wohl selbst nicht. Jetzt, wo wir es endlich geschafft haben.«
»Noch ist es nicht soweit.«
»Ich weiß, Justus, aber wir werden stark genug sein, um auch die Undine fangen zu können.«
Bei diesem Satz spitzte ich besonders die Ohren. Sie hatten also vor, das Wesen einzufangen. Wer hätte das gedacht? Ich betete darum, daß sie weitersprachen, und diesen Gefallen taten sie mir auch.
»Weißt du, daß es für mich nur zwei Möglichkeiten gibt, Justus?«
»Ja, das sagtest du schon.«
»Es sind die Fremden gewesen.« Jacob ließ sich nicht beirren. »Die haben unsere Freunde geschafft.«
Fontain winkte mit beiden Händen ab. »Jetzt tust du mir aber leid. Wie sollten sie das denn geschafft haben?«
»Das will ich dir sagen.«
»Hör auf, sie waren gefesselt.«
»Kann man ihnen nicht geholfen haben?«
»Wer denn?«
»Diejenigen, die im Wasser leben? Aibon, zum Beispiel. Sie kannten das Reich, das darfst du nicht vergessen. Nein, nein, ich habe ein ganz dummes Gefühl.«
»Sie
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