Undines Rache
sie, auch wenn ihre Stimme noch immer etwas überrascht klang. Bill gefiel das gar nicht. Er schaute mich böse an. »John, willst du an Bord gehen?«
»Du hast es erfaßt.«
»Wie schön für dich. Und ich?«
»Kommst nicht mit an Bord. Du nimmst unser Schlauchboot und schipperst ebenfalls über den See. Ich bin gespannt, was uns erwartet.«
Der Reporter preßte die Lippen zusammen. Seine Blicke sprachen Bände. Sie schienen mich verfluchen zu wollen, da konnte ihn auch mein aufgesetztes Lächeln nicht beruhigen. »Warum wollen Sie das denn tun?« fragte mich Mrs. Gumm.
»Es hat seine Gründe, glauben Sie mir. Aber Sie werden so tun, als wüßten Sie von nichts. Sie sind gar nicht da, und wir sind für Sie nicht da gewesen.« Ich lächelte ihr zu. »Alles klar?«
Die Frau wußte nicht, ob sie nicken oder den Kopf schütteln sollte. Sie gab keine Antwort, denn aus dem Hintergrund hörten wir Geräusche. Stimmen und auch Schritte. Noch hatten wir Zeit. Ohne uns bei Mrs. Gumm zu verabschieden, huschten wir auf die Außentür zu und verließen das Hotel. Sofort suchten wir uns einen sicheren Platz, wo Bill mir gegenüberstand und einige Male mit dem Finger gegen seine Stirn tippte. »Hör mal, du bist doch nicht bei Trost, mein Lieber. Wirst du dich wirklich auf das komische Boot schleichen und mitfahren?«
»Und ob.«
»Und ich nehme das Schlauchboot.«
»Du hast es gemietet. Es wird sich an dich als Kapitän gewöhnt haben.«
Ich wurde schnell wieder ernst. »Eines sage ich dir, Bill, diese Nacht ist noch längst nicht vorbei.«
»Ja, das befürchte ich auch…«
Da Gunda Gumm mir den Weg gut beschrieben hatte, war es für mich nicht schwer, das Ziel zu finden.
Das Bootshaus lag tatsächlich direkt am Seeufer, und es war ein alter Bau, dessen Geruch mir schon entgegenwehte, bevor ich das Gebäude noch erreicht hatte.
Ein Gestank aus altem Wasser, Farbe und Rostschutzmitteln. Um Platz zu schaffen, war der Streifen am Ufer von seinem Bewuchs befreit worden. Menschenhände hatten die Natur vergewaltigt und für einen regelrechten Kahlschlag gesorgt.
Die gefällten Bäume lagen noch so, wie sie gefallen waren, und das Gestrüpp war weggesenst worden.
Das Bootshaus selbst stand auf Pfählen.
Ich näherte mich dem Haus von der Rückseite.
Ich ging nicht davon aus, daß die Freunde des Wassers eine Wache aufgestellt hatten, und ich mich im Schein meiner Bleistiftleuchte gut umschauen konnte. Das kalte weiße Licht tanzte durch die Dunkelheit, ließ kahle Äste wie gepudert aussehen, fand seinen Weg auch durch Lücken und erreichte mit seinem Ende sogar das Wasser. Hier klatschten die Wellen sehr gemächlich und ruhig gegen das steil abfallende Ufer.
Bis dorthin ging ich nicht, sondern schaute mir die Hintertür an. Die Freunde des Wassers fühlten sich vor Dieben und Eindringlingen sicher, denn sie hatten die hintere Tür nicht verschlossen. Nur ein Draht, durch zwei Ösen gezogen, verband sie mit der Rückseite des Schuppens. Ich wollte ihn nicht unbedingt entfernen, das wäre den Männern schon aufgefallen, deshalb suchte ich nach einem anderen Einstieg und fand ihn vorn am Wasser, denn dort befand sich die Öffnung in der gesamten Hausbreite. Leider wurden meine Füße etwas feucht, als ich durch den Schlick und Schlamm ging, hangelte mich dann auf die Plattform und drückte mich in das Bootshaus hinein, wo ich schon nach dem ersten Schritt gegen die Reling am Bug stieß. Es war so eng, daß das Boot gerade hineinpaßte.
Gunda Gumm hatte mir zwar einiges erzählt, aber nicht erwähnt, daß ich es mit einem dunkel gestrichenen Boot zu tun hatte. Ob schwarz oder grün konnte ich nicht erkennen, jedenfalls hatte es einen dunklen Tarnanstrich, und dies bestimmt nicht grundlos. Wer immer damit über den See fuhr, er wollte nicht sofort entdeckt werden und vielleicht als Schatten über das Wasser hinweggleiten.
Zwischen Boot und Wand befand sich ein nur schmaler Steg, auf dem ich mehr balancieren als gehen konnte. Deshalb entschied ich mich sehr schnell dafür, an Bord zu gehen.
Ich enterte das Boot und spürte das leichte Vibrieren der einlaufenden Wellen. Nach dem ersten Rundblick stellte ich fest, daß sich an Deck außer mir kein Lebewesen aufhielt. Bevor ich unter Deck ging, ließ ich meinen Blick über den See schweifen.
Er lag tatsächlich wie gemalt vor mir. Eine geheimnisvolle Wasserfläche, hinein in die Natur und Landschaft gesetzt wie ein schillerndes Auge, an dem ein Maler seine Kunst
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