Undines Rache
dazu fehlt mir einfach die Zeit.«
»Wir haben zwar einiges erfahren, doch meine Frage ist nicht beantwortet worden«, mischte ich mich ein. »Der See der Geheimnisse. Wenn er so genannt wird, muß das einen Grund haben.«
Ich erhielt eine sehr diplomatische Antwort. »Wenn wir das wüßten, wären es doch keine Geheimnisse mehr.«
»Da haben Sie recht. Andererseits denke ich, daß Sie so manches gehört und erfahren haben, Mrs. Gumm. Es wird doch Geschichten über das Gewässer geben.«
»Das schon.« Sie schaute uns etwas verblüfft an. »Sie als Polizisten werden daran doch kaum interessiert sein.«
»Irrtum«, sagte ich rasch. »Gerade so etwas ist für uns besonders wertvoll.«
Sie hob die Schultern. »Ich weiß nicht so recht. Es gibt Leute, die behaupten, in dem Gewässer Fabelwesen entdeckt zu haben. Ungeheuer, große Schlangen, aber auch Nixen und andere Wassergeister wie Nocks und so. Das sind natürlich Geschichten, auch die von der Undine.«
»Die interessiert uns aber«, sagte ich.
Gunda Gumm hob die Schultern. »Nun ja, wenn Sie es wollen, werde ich darüber sprechen.«
»Bitte.«
Sie zierte sich noch etwas, schaute sich um, lauschte, ob von irgendwo etwas zu hören war, aber die Freunde des Wassers verhielten sich still.
»Also das ist so«, sagte sie. »Es gibt tatsächlich Leute, die wollen eine wunderschöne Frau mit langen Haaren gesehen haben, die auf einem Felsen sitzt, der hin und wieder zusammen mit der nackten Frau aus dem Wasser steigt. Das ist eben die Undine, das Wasserwesen. Die Obernixe, eine Mischung aus Schönheit und Fisch. Aber diese Geschichte kennen Sie sicherlich.«
Ich räusperte mich. »Haben Sie denn diese Undine schon mal zu Gesicht gekriegt?«
Beinahe böse schaute sie mich an. Ihre Augen weiteten sich noch mehr.
»Ich soll sie schon gesehen haben? Nein, nein. Das ist doch alles eine Legende. Ich habe nie etwas gesehen. Mir ist bisher keines dieser geheimnisvollen Wesen, die angeblich den See bevölkern, unter die Augen getreten. Da unterliegen Sie aber einem folgenschweren Irrtum, Mister Sinclair.«
»Schade.«
»Warum?«
»Nun, ich dachte, daß Sie uns vielleicht weiterhelfen könnten, Mrs. Gumm.«
Beinahe hätte sie mit der Faust auf die Theke geschlagen. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wie hätte ich Ihnen denn weiterhelfen können? Oder glauben Sie etwa an das, was ich Ihnen erzählt habe? Daß sich in diesem See Gestalten tummeln, die es sonst nur in Märchen gibt?«
»Ein wenig schon. Und die Freunde des Wassers werden mit ihrer Religion ebenso denken.«
»Ich bitte Sie, das sind Spinner!«
»So würde ich sie nicht eben bezeichnen.«
»Doch. Die sind komisch und harmlos.« Sie tippte gegen die Stirn. »Das sind für mich Verrückte. Mag sein, daß sie den See lieben und in der Nacht auch immer unterwegs sind…«
»Auf dem See?« fragte Bill.
»Ja, wo sonst.«
»Wie stellen sie das an?«
»Die haben ein Boot.«
»Wo?«
»Am Ufer. Kein Schlauchboot, fast schon eine richtige Yacht, die alle Männer aufnimmt. Und in der Nacht schippern sie damit über den See. Dabei sind sie schon beobachtet worden.«
»Hier dürfen Motorboote fahren?«
Gunda Gumm winkte ab. »Was heißt dürfen? Es gibt kein Verbotsschild. Und wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter.«
»Was machen sie dort?«
»Herumfahren, denke ich. Vielleicht meditieren sie auch oder trinken noch mal von dem Wasser.«
»Damit haben Sie angedeutet, daß dieses Wasser in den Tellern aus dem See stammt.«
»Davon gehe ich sogar aus.«
»Ich nicht«, sagte Bill. »Wenn es so wäre, hätten sie sich nicht erst die Mühe zu machen brauchen, um das Wasser von den Tellern zu schlürfen. Meiner Ansicht nach steckt da etwas anderes dahinter. Ich weiß nur noch nicht, was es ist.«
»Mich dürfen Sie nicht fragen«, sagte Mrs. Gumm. »Ich habe sie noch nie auf dem See herumschippern sehen.«
Meine Gedanken bewegten sich bereits in eine ganz andere Richtung.
»Haben Sie nicht eben gesagt, daß die Männer in jeder Nacht über den See schippern?«
»Habe ich.«
»Auch heute wird es so sein.«
»Ja, das Wetter ist ideal. Es ist ruhig, es herrscht kaum Wind, einfach gut.«
»Wo steht das Bootshaus?«
Nach dieser Frage zuckte Bill Conolly zusammen. »John, du willst doch nicht etwa…?«
»Wo finde ich das Boot?«
»Am Ufer. Es gibt einen Pfad dorthin. Sie können auch in den Schuppen. Soviel ich weiß, ist er nicht abgeschlossen.«
»Beschreiben Sie mir den Weg?«
Das tat
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