Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
nicht, wenn wir zwei uns bei einer Tasse Tee hinsetzen und über unsere Aufgabe reden könnten, oder?»
«Das kann ich nicht», sagt sie. Ihr Blick verdüstert sich, ihre Pupillen weiten sich, als bereiteten meine Worte ihr körperliche Schmerzen. Dann ist es, als sperrte sie eine Tür zwischen uns zu, ihr Blick wird leer. Meine Brust wird eng, zum einen, weil es mich so wütend macht, dass sie es fertigbringt, mich so komplett aus ihrem Leben auszuschließen, zum anderen, weil mir auf einmal klar wird, dass der einzige Grund dafür, mich so hartnäckig im Dunkeln zu lassen, nur der sein kann, dass sie mir nicht zutraut, mit der Wahrheit umzugehen.
Und das würde bedeuten, dass die Wahrheit ziemlich übel ist.
Entweder das, oder sie hat trotz ihres ganzen mütterlichen, verständnisvollen Geredes kein bisschen Vertrauen in mich.
Der folgende Tag ist ein Tag mit großer Waldbrandgefahr. Am Morgen stehe ich im Flur und versuche, mich zu entscheiden, ob ich die violette Jacke tragen soll oder nicht. Wenn ich sie nicht trage, wird das Feuer dann trotzdem ausbrechen? Könnte es so einfach sein? Könnte mein ganzes Schicksal an einer simplen Kleiderwahl hängen?
Ich beschließe, es lieber nicht auszuprobieren. Bei allem, was bereits geschehen ist, werde ich nicht versuchen, dem Feuer aus dem Weg zu gehen. Ich will, dass es endlich vorbei ist. Und es wird ganz schön kalt sein, da oben in den Wolken. Ich ziehe die Jacke an und gehe nach draußen.
Ich habe meinen Kontrollflug etwa zur Hälfte hinter mir, als plötzlich eine gigantische Welle der Traurigkeit über mir zusammenschlägt.
Es ist nicht die übliche Traurigkeit. Es hat nichts mit Tucker oder Christian oder mit meinen Eltern zu tun. Es ist kein Selbstmitleid und auch nicht der typische Missmut des Teenagers. Es ist reine, undurchdringliche Verzweiflung. Als wäre jeder, den ich je geliebt habe, plötzlich gestorben. Sie wütet in meinem Kopf, bis meine Sicht sich trübt. Sie würgt mich. Ich bekomme keine Luft. Meine Leichtigkeit verlässt mich. Ich beginne zu fallen, greife in die Luft. Ich bin so schwer, dass ich wie ein Stein hinunterstürze.
Zum Glück krache ich in einen Baum und schlage nicht direkt auf den Felsen auf und sterbe. Schräg streife ich die obersten Äste. Mein rechter Arm mitsamt Flügel bleibt an einem Ast hängen. Ich höre ein Knacken, und dann erfasst mich der schlimmste Schmerz, den ich je gespürt habe, ganz oben in der Schulter. Ich schreie, während der Erdboden mir entgegenrast. Den unverletzten Arm halte ich mir vors Gesicht, doch den ganzen Weg nach unten werde ich gepeitscht, geschlagen und zerkratzt. Etwa sechs Meter vom Boden entfernt wird mein Sturz gebremst, meine Flügel verfangen sich in den Zweigen, mein Körper hängt in der Luft.
Ich weiß, dass ein Schwarzflügel in der Nähe ist. Trotz Panik und Schmerzen bin ich zu diesem Schluss gerade noch gekommen. Alles andere ergibt keinen Sinn. Und es bedeutet, dass ich hier wegmuss, und zwar schnell. Also beiße ich mir auf die Lippe und versuche, mich aus dem Baum zu befreien. Aber meine Flügel stecken fest, und ich bin mir ziemlich sicher, dass der rechte gebrochen ist. Es dauert einen Moment, ehe mir einfällt, dass ich die Flügel einziehen könnte, und danach trudele ich den Rest des Weges bis zum Boden.
Ich komme hart auf. Wieder schreie ich laut. Der Schmerz in der Schulter ist nach dem Aufprall auf dem Boden so heftig, dass ich beinahe ohnmächtig werde. Ich bekomme keine Luft. Ich kann nicht klar denken, da mein Kopf derart von Traurigkeit erfüllt ist. Der Schmerz wird mit jeder Sekunde schlimmer, heftiger, bis ich glaube, dass mein Herz explodieren wird.
Und das bedeutet, dass er näher kommt.
Mühsam setze ich mich auf und stelle fest, dass ich meinen Arm nicht bewegen kann. Merkwürdig verdreht hängt er mir von der Schulter. Eine solche Verletzung hatte ich noch nie. Wo ist meine wundersame Heilkraft, wenn ich sie mal brauche? Vorsichtig rappele ich mich auf. Die eine Seite meines Gesichts fühlt sich feucht an. Ich berühre meine Wange, und an meiner Hand klebt Blut.
Achte einfach nicht drauf, denke ich. Geh. Jetzt.
Jede Bewegung erschüttert meine Schulter und erfüllt meinen ganzen Körper mit einer Welle von Schmerz. Ich habe das Gefühl, zu sterben. Da ist keine Hoffnung mehr, kein Licht, kein Gebet auf meinen Lippen. Ich bin am Ende und versucht, mich einfach hinzulegen und mich ihm zu überlassen.
Nein, sage ich mir. Das ist der Schwarzflügel,
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