Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Backsteingebäude wird an der Vorderfront von einer Reihe mächtiger Holzbalken eingerahmt, die wie Säulen aussehen, nur rustikaler. Wie alles andere in unserer neuen Stadt ist auch die Schule das reinste Postkartenidyll – blitzblanke Fenster, alles in perfekter Harmonie angeordnet, Bäume mit weißen Stämmen, die auch ohne Laub wunderschön sind, ganz zu schweigen von den prächtigen, im Hintergrund zu drei Seiten aufragenden Bergen. Sogar die flauschigen weißen Wolken am Himmel sehen so aus, als wären sie ganz bewusst dort platziert worden.
«Bis später», sagt Jeffrey und springt aus dem Wagen. Er schnappt sich seinen Rucksack und marschiert auf die Eingangstür der Schule zu, als wäre er hier zu Hause. Ein paar Mädchen auf dem Parkplatz drehen sich um und mustern ihn. Lässig lächelt er ihnen zu, was sofort das allgemeine Flüstern und Kichern in Gang setzt, das ihm auch auf unserer alten Schule überallhin folgte.
«Tja, so viel zu dem Thema, möglichst Aufmerksamkeit zu vermeiden», brummele ich. Ich trage eine weitere Schicht Lipgloss auf und betrachte mich prüfend im Rückspiegel – und einmal mehr zucke ich beim Anblick meiner demütigenden Haarfarbe zusammen. Obwohl Mama und ich uns im Lauf der letzten Woche die allergrößte Mühe gegeben haben, ist mein Haar immer noch orange. Wir haben alles probiert, ungefähr fünf Mal neu gefärbt, haben es sogar mit Kohlrabenschwarz versucht, aber nach dem Waschen zeigte sich immer wieder dieses gruselige, ins Auge stechende Orange. Als wenn sich da oben im Himmel einer einen grausamen Scherz mit mir erlaubt.
«Du kannst nicht immer nur auf dein gutes Aussehen zählen, Clara», sagte Mama nach Fehlversuch Nummer fünf. Na, die hat gut reden. Als wenn sie auch nur einen einzigen Tag ihres Lebens anders als zum Niederknien ausgesehen hätte.
«Ich habe mich noch nie auf mein gutes Aussehen verlassen, Mama.»
«Doch, hast du», entgegnete sie ein bisschen zu fröhlich. «Du bist zwar nicht eitel, aber trotzdem. Wenn dich deine Mitschüler von der Mountain View High angesehen haben, wusstest du genau, dass sie ein bildhübsches rotblondes Mädchen vor sich hatten.»
«Ja klar, und jetzt bin ich weder rotblond noch hübsch», jammerte ich. Ja, ich habe mich im Selbstmitleid gesuhlt. Aber mein Haar war nun wirklich von einem schrecklichen Orange.
Mit dem Finger hatte Mama mein Kinn angehoben, sodass ich ihr in die Augen schauen musste.
«Du könntest neongrüne Haare haben, und es würde dir nichts von deiner Schönheit nehmen», sagte sie.
«Du bist meine Mutter. Du bist gesetzlich verpflichtet, so was zu sagen.»
«Lass uns immer daran denken, dass du schließlich nicht hier bist, um einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Du bist hier, um eine Aufgabe zu erfüllen. Das Problem mit dem Haar bedeutet vielleicht, dass es für dich nicht ganz so leicht sein wird wie in Kalifornien. Und dafür gibt es womöglich auch einen guten Grund.»
«Klar. Einen sehr guten Grund. Da bin ich mir ganz sicher.»
«Immerhin wird die Farbe das helle Leuchten verdecken. So brauchst du dir wenigstens nicht immer was auf den Kopf zu setzen.»
«Hurra.»
«Du musst einfach das Beste draus machen, Clara», sagte sie.
Also sitze ich hier und mache das Beste draus, als hätte ich eine andere Wahl. Ich steige aus dem Auto und gehe unauffällig in die hinterste Ecke des Parkplatzes, um mir den silberfarbenen Pick-up anzusehen. AVALANCHE steht in silberfarbenen Buchstaben auf dem hinteren Kotflügel. Nummernschild 99CX.
Er ist hier. Ich zwinge mich zum Atmen. Er ist tatsächlich hier.
Jetzt muss ich nur noch mit meinen verrückten, widerspenstigen, wahnsinnig hellorangefarbenen Haaren in die Schule rein. Ich sehe die anderen Schüler in kleinen Gruppen ins Gebäude strömen, höre sie lachen und reden und herumblödeln. Alles völlig Fremde, jeder Einzelne von ihnen. Mit Ausnahme von einem. Aber für ihn bin ich eine Fremde. Meine Hände sind verschwitzt und gleichzeitig klamm. Eine ganze Horde Schmetterlinge flattert in meinem Magen herum. So nervös bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen.
Eines ist mal sicher, Clara, denke ich: Verglichen mit deiner Aufgabe sollte die Sache mit der Schule wirklich ein Klacks sein.
Also richte ich mich auf, versuche, ein bisschen von Jeffreys Selbstvertrauen aufzubringen, und gehe auf die Eingangstür zu.
Mein erster Fehler, das wird mir sofort klar, war die Annahme, dass diese Highschool trotz des edlen Äußeren im
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