Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
so aus, als überlege sie, ob sie uns diese Information anvertrauen kann. «Na, das ist nun aber genug Unterricht für heute. Wenn das wieder passiert, in der Öffentlichkeit, meine ich, ist es sicher hilfreich, wenn du dich so normal wie möglich verhältst. Meistens reden sich die Leute dann ein, dass sie im Grunde gar nichts gesehen haben und nur auf eine Täuschung des Lichts, eine Illusion hereingefallen sind. Aber es wäre sicher nicht falsch, wenn du von jetzt an darauf achtest, deinen Kopf zu bedecken, Jeffrey, nur zur Sicherheit.»
«Okay», sagt er grinsend. Nun wird er seine Baseballkappe von den Giants wahrscheinlich auch im Bett nicht mehr ausziehen.
«Und wir wollen versuchen, möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen», fährt sie fort und sieht meinen Bruder dabei bedeutungsvoll an; das ist natürlich eine Anspielung auf sein Bedürfnis, bei allem der Beste zu sein: als Quarterback beim Football, als Werfer beim Baseball, die große Sportskanone überall. «Und nicht mit unseren Fähigkeiten zu prahlen.»
Er beißt sich auf die Lippen.
«Dürfte kein Problem sein», meint er dann. «Im Januar findet doch sowieso nichts statt, oder? Probekämpfe bei den Ringern waren im November. Und mit dem Baseball geht es erst wieder im Frühling los.»
«Das ist vielleicht auch ganz gut so. Da hast du ein bisschen Zeit, dich einzugewöhnen, ehe du Kurse außerhalb des Stundenplans belegst.»
«Ja, klar. Das ist ganz gut so.» In seinem Gesicht spiegelt sich wieder seine ganze Frustration. Er zieht sich in sein Zimmer zurück, die Tür schlägt er hinter sich zu.
«Na schön, das wäre dann geklärt», sagt Mama und dreht sich lächelnd zu mir um. «Dann wollen wir mal ausspülen.»
Meine Haare sind leuchtend orange geworden. Ich sehe aus wie eine geschälte Karotte. Als ich mich im Spiegel sehe, ziehe ich ernsthaft in Erwägung, mir den Kopf kahl zu scheren.
«Das kriegen wir schon wieder hin», verspricht Mama und gibt sich alle Mühe, nicht zu lachen. «Gleich morgen früh. Ehrenwort.»
«Gute Nacht.» Ich mache ihr die Tür vor der Nase zu. Dann werfe ich mich aufs Bett und weine mich so richtig aus. So viel zu meinem Wunsch, den geheimnisvollen Jungen mit dem prachtvollen braunen Haar zu beeindrucken.
Als ich mich beruhigt habe, liege ich im Bett und horche auf den Wind, der an mein Fenster klopft. Die Wälder draußen scheinen riesig und voller Dunkelheit. Ich spüre die Berge, deren massive Präsenz sich hinter dem Haus abzeichnet. Über die Dinge, die nun geschehen, habe ich keine Kontrolle – ich verändere mich und kann nie wieder dahin zurück, wie es vorher war.
Da kommt die Vision zu mir wie ein vertrauter Freund, nimmt mir schwungvoll mein Schlafzimmer weg und setzt mich mitten in dem raucherfüllten Wald ab. Die Luft ist so heiß, so trocken und schwer, so mühsam zu atmen. Ich sehe den silberfarbenen Avalanche am Straßenrand. Automatisch wende ich mich den Hügeln zu und orientiere mich in die Richtung, in der ich, wie ich weiß, den Jungen finden werde. Ich gehe voran. Da spüre ich die Traurigkeit, einen Schmerz, der mir tief ins Herz schneidet, und er wird mit jedem Schritt, den ich gehe, schlimmer. Meine Augen füllen sich mit nutzlosen Tränen. Ich blinzle sie fort und gehe weiter, entschlossen, zu dem Jungen zu gelangen, und als ich ihn sehe, bleibe ich einen Moment lang stehen und lasse den Anblick auf mich wirken. Wie ahnungslos er dort steht! Ich spüre, wie der Schmerz langsam Sehnsucht weicht.
Ich glaube, ich bin angekommen.
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Ich habe den schwarzen Tod überlebt
Das Erste, was mir auffällt, als ich auf den Parkplatz der Jackson Hole Highschool fahre, ist ein großer, silberfarbener Pick-up, der am äußersten Ende steht. Ich recke den Kopf, weil ich das Nummernschild lesen will.
«Puh!», ruft Jeffrey, als ich beinahe einem wesentlich älteren und rostigeren blauen Pick-up vor mir hintendrauf fahre. «Nimm lieber noch ein paar Fahrstunden!»
«’tschuldigung.» Ich winke dem Typen in dem blauen Pick-up entschuldigend zu, aber er brüllt aus dem Wagenfenster etwas heraus, das ich nicht verstehe und lieber auch nicht verstehen will, und fährt mit quietschenden Reifen weiter über den Platz. Vorsichtig steuere ich den Prius in eine freie Parklücke und sitze einen Moment still da, weil ich mich sammeln will.
Die Jackson Hole Highschool sieht gar nicht so sehr wie eine Schule aus, sondern eher wie eine Ferienanlage. Das weitläufige
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