Unendlichkeit in ihrer Hand
war, ohne zu wissen, wie er das wusste. Er sah den Garten und fühlte sich gesehen. Er schaute nach allen Seiten, um festzustellen, ob da noch jemand war wie er.
Und während er sich umschaute, drang die Luft in ihn ein, und die frische Brise weckte seine Sinne. Er roch. Er sog die Luft tief in sich hinein. In seinem Kopf gewahrte er lauter aufgeregt flatternde Bilder, die nach einem Namen suchten. Klar und deutlich stiegen die einzelnen Wörter, ihr Klang in seinem Inneren auf und ließen sich auf alles nieder, was ihn umgab. Er gab allen Dingen einen Namen, und was er benannt hatte, erkannte sich selbst. Der Wind zauste die Baumwipfel. Der Vogel sang. Schmale Blätter öffneten ihre spitzen Hände. Wo war er? Warum ließ der sich nicht blicken, dessen Augen er auf sich ruhen spürte? Wer war er?
Ohne Eile begann er zu gehen, bis er die Stätte, wo er ins Leben gerufen worden war, vollständig umrundet hatte. Das Grün, die Farben und Formen der Pflanzenwelt bedeckten die Landschaft, überschwemmten seine Blicke und ließen Freude in seiner Brust aufwallen.
Er gab den Steinen, den Bächen, den Flüssen, den Bergen, den Schluchten, den Höhlen und den Vulkanen ihre Namen. Er beachtete auch die kleinen Dinge, weil er sie nicht geringschätzen wollte: die Biene, das Moos, den Klee. Bisweilen machte ihn die Schönheit ganz benommen, und er stand in reglosem Staunen da: der Schmetterling, der Löwe, die Giraffen und das stetige Pochen seines Herzens, das ihn begleitete, als existierte es jenseits seines Wollens und Wissens – ein Rhythmus, dessen Zweck zu ergründen ihm nicht gegeben war. Seine Hände erkundeten den warmen Pferdeatem, das eisige Wasser, den rauhen Sand, die schlüpfrigen Fischschuppen, das weiche Katzenfell. Dann und wann drehte er sich unversehens um und hoffte, den Anderen zu überraschen, dessen Gegenwart schwereloser war als der Wind, obwohl ihm ähnlich. Sein Blick indes lag durchaus gewichtig auf ihm. Adam gewahrte ihn auf seiner Haut, unwandelbar wie das Licht, das den Garten Eden umfing und den Himmel unausgesetzt mit seinem leuchtenden Odem entflammte.
Nachdem er getan hatte, was ihm zu tun aufgegeben ward, ließ sich der Mann auf einem Stein nieder, um glücklich zu sein und alles zu betrachten. Zwei Tiere, eine Katze und ein Hund, kamen herzu und legten sich ihm zu Füßen. Wie sehr er sich auch bemühte, sie das Sprechen zu lehren, sie antworteten ihm nur, indem sie ihm sanft in die Augen schauten.
Er fand das Glück recht lang und ein wenig ermüdend. Anfassen konnte er es nicht, und seine Hände fanden keine Beschäftigung. Die Vögel waren pfeilschnell und flogen sehr hoch. Die Wolken auch. Die Tiere um ihn herum grasten und tranken. Und er ernährte sich von weißen Blütenblättern, die vom Himmel fielen. Es fehlte ihm an nichts, und auch er schien niemandem zu fehlen. Er fühlte sich einsam.
Er sank auf die Erde, ging mit dem Gesicht ganz dicht an den Boden heran und sog tief den Pflanzenduft ein. Ihm fielen die Augen zu, und hinter den geschlossenen Lidern beobachtete er die konzentrischen Kreise aus Licht. Die feuchte Erde unter ihm atmete ein und aus, ahmte das Geräusch seiner Atmung nach. Eine weiche, samtene Schläfrigkeit überkam ihn. Er überließ sich dieser Empfindung. Später würde er sich daran erinnern, wie sich sein Körper aufgetan hatte, an den teilenden Schnitt durch das Sein, der das Geschöpf zum Vorschein brachte, das bis dahin in seinem Inneren gewohnt hatte. Er vermochte sich kaum zu rühren. Sein Körper war gleichsam verpuppt und handelte ohne sein Zutun, so dass er bloß dämmernd abwarten konnte, was da mit ihm geschah. Nur eines war ihm ganz deutlich: sein grenzenloses Unwissen, denn in seinem Geist tummelten sich Bilder und Stimmen, für die er keine Erklärung hatte. Er hörte auf, sich Fragen zu stellen, und gab sich der Schwere seines ersten Traumes hin.
Er erwachte unter dem Eindruck seiner Bewusstlosigkeit. Eine Weile spielte er damit, die Möglichkeiten seines Gedächtnisses zu erproben, indem er versuchte zu vergessen und sich wieder zu erinnern – als er die Frau an seiner Seite wahrnahm. Gebannt beobachtete er sie in ihrer Benommenheit und sah, wie die Luft allmählich ihre Lunge erweckte und das Licht ihre Augen, sah die Bewegungen fließen, als sie sich rührte und selbst entdeckte. Er wusste, was gerade mit ihr geschah: das behutsame Erwachen vom Nichts zum Sein.
Er streckte den Arm nach ihr aus, worauf sich ihre
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