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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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galt es zu entscheiden, ob es tatsächlich eine Krise gab – und ob sie beunruhigend genug war, um Calvins Auferstehung zu rechtfertigen. Die Schwierigkeit war, dass seine Ratschläge nur etwa zur Hälfte seriös waren.
    Sylveste drückte die Kassette in den Schlitz.
    Feen erschienen in der Mitte des Raums und woben eine Lichtgestalt: Calvin in einem riesigen Thronsessel. Die Erscheinung war realistischer als jedes Hologramm – selbst feinste Schattierungen waren zu erkennen –, denn sie wurde durch direkte Einwirkung auf Sylvestes Sehzentrum erzeugt. Die Beta-Simulation stellte Calvin so dar, wie ihn die Öffentlichkeit am besten in Erinnerung hatte: mit knapp fünfzig Jahren zu seiner Glanzzeit auf Yellowstone. Seltsamerweise sah Calvins Abbild älter aus als Sylveste, obwohl es biologisch gesehen siebzig Jahre jünger war. Sylveste befand sich im achten Jahr seines dritten Lebensjahrhunderts, aber die Langlebigkeitsbehandlungen, die er auf Yellowstone erhalten hatte, waren deutlich besser gewesen als zu Calvins Zeit.
    Ansonsten hatten sie die gleichen Gesichtszüge und den gleichen Körperbau. Beide zogen ständig ironisch die Mundwinkel nach unten. Sylveste bevorzugte auf Expeditionen eher schlichte Kleidung. Calvin trug das Haar kürzer und hatte sich in Schale geworfen, wie es in der Belle Epoque der Demarchie Mode war: ein weites Frackhemd und elegante Karohosen, die in Seeräuberstiefeln steckten. An seinen Händen blitzten Gold und Edelsteine. Der makellos gestutzte, rostrote Bart betonte dezent die Kieferlinie. Kleine entoptische Figuren umschwebten den Sitzenden, Symbole aus der Booleschen und der dreiwertigen Logik und lange Binärzahlenketten. Mit einer Hand betastete er die Bartstoppeln unter seinem Kinn, während die andere mit den verschnörkelten Schnitzereien am Ende der Armlehne spielte.
    Eine Animationswelle glitt über die Projektion, und in die fahlen Augen trat ein wacher Glanz.
    Calvin hob träge die Finger zum Gruß. »Aha…«, sagte er. »Die Scheiße hat sich also wieder einmal auf den Weg zum Ventilator gemacht.«
    »Du unterstellst eine ganze Menge.«
    »Das habe ich gar nicht nötig, mein lieber Junge. Ich bin nur eben ins Netz gegangen und habe mir die letzten paar tausend Nachrichten angesehen.« Er reckte den Kopf und sah sich um. »Nicht schlecht, die Bude«, lobte er. »Wie geht’s übrigens deinen Augen?«
    »Wie zu erwarten. Sie funktionieren.«
    Calvin nickte. »Die Auflösung ist nicht besonders, aber mehr war mit den Mitteln, die mir zur Verfügung standen, nicht zu erreichen. Wahrscheinlich konnte ich allenfalls vierzig Prozent deiner Sehnervkanäle anschließen, bessere Kameras einzusetzen wäre also zwecklos gewesen. Wenn auf diesem Planeten halbwegs anständige chirurgische Instrumente zu bekommen wären, ließe sich vielleicht einiges noch etwas verbessern. Aber man kann Michelangelo keine Zahnbürste in die Hand drücken und dann die Sixtinische Kapelle erwarten.«
    »Nur immer schön Salz in die Wunden streuen.«
    »Das fiele mir doch im Traum nicht ein!« Calvin spielte die gekränkte Unschuld. »Ich finde nur, wenn du Alicia schon die Lorean überlassen musstest, dann hättest du ihr doch wenigstens einen Teil der medizinischen Geräte abhandeln können!«
    Sylvestes Frau hatte zwanzig Jahre zuvor die Meuterei gegen ihn angeführt, und das ließ ihn Calvin niemals vergessen.
    »Ich habe mich also sozusagen selbst geopfert.« Sylveste brachte die Projektion mit einer Armbewegung zum Schweigen. »Entschuldige, Cal, aber ich habe dich nicht gerufen, um wieder einmal gemütlich mit dir zu plaudern.«
    »Kannst du nicht Vater zu mir sagen?« Sylveste stellte sich taub. »Weißt du, wo wir sind?«
    »An einer Ausgrabung, nehme ich an.« Calvin schloss kurz die Augen und legte die Finger an die Schläfen, wie um seine Konzentration zu demonstrieren. »Hm. Mal sehen. Zwei Expeditions-Schlepper von Mantell, nicht weit von der Ptero-Steppe… ein Wheeler-Gitter… wie altmodisch! Aber für diesen Zweck vermutlich ausreichend. Und was ist das? Hochauflösende Gravitationsscanner… Seismogramme… du hast tatsächlich etwas gefunden, nicht wahr?«
    In diesem Augenblick warf das Schreibpult eine Status-Fee aus, die einen Anruf aus Mantell meldete. Sylveste bat Calvin mit erhobener Hand um Schweigen und rang mit sich, ob er das Gespräch annehmen sollte. Der Anrufer war der Ornithologe Henry Janequin, einer seiner wenigen treuen Verbündeten. Janequin hatte den echten Calvin

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