Unerwartet (German Edition)
scheint nicht daran zu denken.
„Kann ich dir helfen?“, fragt er.
„Besser nicht. Ich hab meine Routine und da pfuscht mir niemand rein. Außerdem musst du dir deine wertvollen Chirurgenfinger nicht schmutzig machen.“
Jakob grinst.
„Die Gerüchteküche arbeitet aber schnell in diesem Haus.“
„Das war kein Kunststück“, sage ich. „Deine Maklerin ist hier im Haus bekannt und außerdem eine ziemliche Tratschtante.“
Behutsam wasche ich die Blaubeeren in einem Sieb ab und verteile sie auf einem dunklen Handtuch, um sie zu trocknen.
„Kann ich dir Gesellschaft leisten?“, fragt er. „Ich versuche auch, nicht zu sehr im Weg zu stehen.“
„Natürlich.“ Ich winke ihn rein und zeige ihm, wo er sich hinsetzen kann, doch er stellt sich mir gegenüber auf die andere Seite meines Arbeitstischs. Es war keine gute Idee, ihn reinzubitten, doch ich wollte auch nicht unhöflich sein.
„Warum habt ihr sonntags nicht offen? Ich hätte heute Morgen einen guten Kaffee brauchen können.“
„Lohnt sich nicht“, sage ich. „Wir sind hier mitten in der Fußgängerzone, zwischen Geschäften, die alle sonntags geschlossen haben. Außerdem brauche ich einen freien Tag in der Woche, sonst klapp ich zusammen.“
Zu viele Informationen, Kati. Er hat dich nicht nach deinem Erschöpfungszustand gefragt.
„Schmeißt du den Laden immer alleine?“
Interessiert sieht Jakob dabei zu, wie ich die Eier aufschlage und mit dem Zucker vermische.
„Nein. Steffi, unsere gemeinsame Nachbarin, arbeitet auch hier. Der Laden ist meiner, aber ohne sie wäre ich aufgeschmissen. Wir sind allerdings auf der verzweifelten Suche nach einer zuverlässigen Aushilfe. Also, wenn du jemanden kennst. Obwohl, so jemand wie du, kennt sicher niemanden, der in einem Coffeeshop arbeiten will. Oh Gott, ich sollte wirklich die Klappe halten.“
Wenn ich nervös bin, dann neige ich dazu, alles auszusprechen, was mir gerade in den Kopf kommt.
„So jemand wie ich?“, fragt Jakob amüsiert.
„Vergiss es. Ich rede zu viel. Möchtest du einen Tee?“ Beschämt konzentriere ich mich wieder auf meinen Schneebesen.
„Lenk nicht ab, Katharina. Was meinst du damit?“
„Tu nicht so, als wüsstest du es nicht. Es gibt eine Kluft zwischen Leuten wie mir, die … Ach, vergiss es.“
Hätte ich mal meinen Mund gehalten. Es sieht nicht so aus, als würde Jakob das Thema fallen lassen.
„Du meinst, Leuten wie mir, die den Luxus genossen haben, sich jahrelang im Studium den Arsch abzuarbeiten und mit beinahe keinem Schlaf auszukommen? Katharina, ich hab einen guten Job, für den ich verdammt hart gearbeitet habe. Mein Glück ist es, dass ich für mein Studium keine Schulden machen musste und ich einen Job habe, den ich liebe. Aber ich bin kein verwöhntes Söhnchen reicher Eltern. Mein Vater hätte mir sofort jegliche Unterstützung gekappt, hätte ich nur ansatzweise meine Ausbildung schleifen lassen. Ich bin nicht besser oder schlechter als du, nur weil ich studiert habe.“
„Es tut mir leid. Manchmal rede ich, bevor ich nachdenke.“
„Wo steht der Tee? Dann mache ich uns welchen und du erzählst mir deine Story.“
Auch wenn ich froh bin, dass er das Thema fallen lässt, lege ich keinen großen Wert darauf, meine Geschichte zum Besten zu geben. Ich zeige Jakob, wo alles steht, und kümmere mich weiter um die Muffins.
Der Anblick seiner Rückseite, während er auf den Wasserkocher wartet, bringt mich so aus dem Takt, dass ich die Blaubeeren beinahe auf den Boden anstatt in die Schüssel schütte.
„Mein Leben ist nicht so interessant“, versuche ich, das Thema zu beenden.
Jakob stellt eine Tasse Tee vor mir ab und sieht mich von oben bis unten an. Unter seinem Blick werde ich noch unsicherer. Ich bin kurz davor, meine Lippen mit den Fingern zusammenzupressen, damit nicht wieder unkontrollierte Worte raussprudeln.
„Das würde ich gerne selbst entscheiden, Katharina.“
Er nippt an seinem Tee und genießt es, wie ich mich winde.
„Ich wohne mit meinem Bruder zusammen, aber das weißt du ja schon. Unsere Eltern leben nicht mehr, also sind es nur wir beide. Ben war erst 4, als sie starben und seitdem kümmere ich mich um ihn.“
„Und hast deinen eigenen Laden? Und bist der Meinung, ich bin besser als du? Lächerlich, Katharina. Wie alt bist du?“
„27. Und du musst mir keinen Honig um den Mund schmieren, damit ich mich besser fühle.“
Sein Gesichtsausdruck wechselt von einem konfusen Stirnrunzeln zu einem lasziven
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