Unerwartet (German Edition)
mir die Schuhe ab und löse mit einem Seufzer meine blonden Haare aus dem engen Zopf. Auf Zehenspitzen schleiche ich in Bens Zimmer, wo ich erst mal ein paar T-Shirts mit dem Fuß beiseite schieben muss. Ich decke meinen kleinen Bruder mit einem dünnen Laken zu und streiche mit dem Daumen über seine Stirn. Eine Geste, die ich von meiner Mutter übernommen habe, auch wenn sie mir immer ein kleines Kreuz auf die Stirn gemalt hat. Für dieses religiöse Zeichen fehlt mir jedoch der Glaube.
Unsere Dachgeschosswohnung ist von dem sonnigen Tag noch ziemlich aufgeheizt. Um etwas Hitze rauszulassen, reiße ich die Fenster in meinem Schlafzimmer weit auf und beschließe, mich noch für ein paar Minuten auf die Terrasse zu setzen.
Mit einer Dose Cola in der Hand lasse ich mich in der Dunkelheit auf einem Klappstuhl nieder und hänge meine Füße in unser Planschbecken.
Da die Terrassen der Dachgeschosswohnungen nur durch eine hüfthohe Mauer getrennt sind, kann ich in Jakobs Wohnzimmer sehen. Die vorherigen Nachbarn waren beinahe nie Zuhause und haben dementsprechend ihre Terrasse nicht genutzt. Deswegen haben wir uns bisher nicht die Mühe gemacht, einen Sichtschutz anzubringen. Sieht so aus, als müsste ich das in nächster Zeit ändern.
Jakob steht in seinem hell erleuchteten Wohnzimmer und versucht, die Sender auf seinem riesigen Flachbildfernseher zu programmieren. Im Schutz der Dunkelheit kann ich beobachten, wie er einen Schluck aus seiner Bierflasche nimmt und dabei sein Adamsapfel auf und ab hüpft. Er ist noch umgeben von Umzugskartons und Möbeln, die einfach mitten in den Raum gestellt worden sind.
Hauptsache der Fernseher steht. Männer und ihre Prioritäten.
Ich stelle die Cola ab, ziehe mein T-Shirt über den Kopf und schlüpfe aus meinem kurzen Jeansrock. Mit einem entspannten Seufzer lasse ich mich in den kleinen Pool gleiten und spüre, wie die Hitze des Tages meine Glieder verlässt.
Auch wenn sich meine Nippel nur durch das kühle Wasser zusammenziehen, bleibt die Wirkung nicht ganz aus. Ich möchte meine Hand zwischen die Schenkel schieben und mich hier und jetzt etwas verwöhnen, doch das ist selbst mir zu offen. Auf diese Weise wollte ich mich meinem neuen Nachbarn nicht präsentieren.
Ein wenig fühle ich mich unserer Privatsphäre beraubt. Mit unseren ehemaligen Nachbarn hat es sich beinahe so angefühlt, als wären wir alleine im Dachgeschoss, doch ich fürchte, das wird bei Jakob nicht der Fall sein. Wenigstens habe ich etwas zum Anschauen, wenn auch sonst nichts bei mir los ist.
Ich tauche den Kopf unter Wasser und nehme meine hüftlangen Haare zu einem Zopf zusammen. Prustent tauche ich auf und sehe direkt in Jakobs Augen. Mit einem erschrockenen Schrei weiche ich zurück und verschränke die Arme vor der Brust.
„Scheiße. Sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken.“
Abwehrend hebt er die Hände und bemerkt dann auch, dass ich nur in meiner nassen Unterwäsche vor ihm im Wasser sitze. Sofort sieht er von meinen Brüsten wieder in mein Gesicht. Ich sehe das lose Grinsen in seinem Mundwinkel, auch wenn er es krampfhaft zurückhält. Beschämt meide ich seinen Blick, steige ungeschickt über den glitschigen Rand des Gummipools, schnappe mir meine Klamotten und verschwinde ohne ein weiteres Wort in der Wohnung.
Soviel zum Thema Privatsphäre.
2.
Ich habe nur diesen einen Tag in der Woche, an dem ich ausschlafen kann. Sonntags ist der Coffeeshop geschlossen und dennoch habe ich einen langen Abend voller Vorbereitungen für den nächsten Tag vor mir. Mein neuer Nachbar findet es allerdings total angebracht am Sonntagmorgen den Schlagbohrer anzusetzen und mich damit hochzujagen.
Ben könnte ein Presslufthammer nicht wecken, doch ich sitze mit klopfendem Herzen aufrecht im Bett.
Natürlich verstehe ich, dass er umzieht und Dinge erledigen muss, aber das geht zu weit. Er ist schon die ganze Woche dabei, Bilder aufzuhängen und Möbel zu verschieben, aber ausgerechnet jetzt muss er so einen Krawall veranstalten. Wutentbrannt schlage ich meine Bettdecke beiseite und stampfe zur Wohnungstür. Seine Tür steht offen, also nehme ich mir die Freiheit und gehe einfach rein. Über den Lärm des Bohrers würde er die Klingel sowieso nicht hören.
Nur in einer verschlissenen Jeans und mit nacktem Oberkörper steht er in der Küche und bohrt vorgezeichnete Löcher für die Hängeschränke. Aus dem Augenwinkel nimmt er mich wahr und lässt den Bohrer sinken, bevor er sich zu mir dreht.
Ich
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