Unerwartet (German Edition)
Wenn wir einfach wir selbst sein können und niemand unsere Liebe füreinander bewertet.
Jakob lässt es sich nicht nehmen, seinen Mund an Pauls abzureiben. Diese Neckerei gerät allerdings schnell außer Kontrolle, bis die beiden sich gegenseitig sauber küssen.
Ich würde mich gerne dazu gesellen, aber ich habe gerade eine volle Spritztülle in der Hand, die ich nicht verschwenden kann. Während ich mich weiter um die Verzierung kümmere, wage ich immer wieder einen Blick zu meinen Männern, die wirklich eine heiße Show abliefern. Sie wissen genau, was sie mir gerade antun.
In dem Moment wird die Tür aufgerissen. Daniela stürmt gestresst in den Raum und bleibt abrupt stehen. Die Pose von Jakob und Paul ist nach wie vor unmissverständlich, irgendwie hat keiner der beiden den Reflex, sich zurückzuziehen.
Sie verzieht keine Miene, dreht sich wieder um und verlässt ohne ein Wort den Raum. Schockiert sehen wir uns an, doch kommen nicht dazu, etwas zu sagen, da sie Sekunden später schon wieder die Tür aufreißt.
„Ich wusste es“, sagt sie und zeigt abwechselnd mit dem Finger auf uns. „Ich hab es schon lange gewusst.“
Kopfschüttelnd bleibt sie im Türrahmen stehen und sieht zwischen uns hin und her.
„Hoffentlich bist du schlau genug, dir davon auch einen Happen zu gönnen und die beiden nicht nur zu decken“, sagt sie zu mir und bricht in völlig unpassendes, schallendes Gelächter aus.
„Nicht nur ein Häppchen. Ich nehme meistens die gesamte Portion“, sage ich trocken und stimme einen Moment später in ihren Lachanfall ein.
Daniela führt selbst einen recht unkonventionellen Lebensstil, da sie zwar ihre Tochter hat und auch Männern nicht abgeneigt ist, sich aber doch meistens in Frauen verliebt. In diesem Moment frage ich mich, warum wir sie eigentlich nicht als Erste eingeweiht haben.
Jakob und Paul sehen uns grinsend an, während wir nach Luft schnappen.
Es wird nicht immer so einfach sein, nicht jeder wird unsere Situation einfach so akzeptieren, doch diesen Moment lasse ich mir nicht durch negative Gedanken verderben.
37.
Ein halbes Jahr. Seit einem halben Jahr führe ich eine Beziehung mit zwei Männern. Es ist nicht immer einfach. Eifersucht ist nicht unser Problem, eine Tatsache die mich immer noch erstaunt. Wenn wir alleine sind, dann ist es perfekt, auch wenn Paul und Jakob manchmal etwas überwältigend sein können. Wenn ich ihre Hilfe nicht will, dann tun sie es erst recht, und wenn ich versuche, mich abzukapseln, dann holen sie mich auf ihre Weise aus meinem Schneckenhaus. Manchmal macht es mich wütend, aber in Wirklichkeit weiß ich, dass sie meine Grenzen zwar respektieren, aber auch wissen wie weit sie sie ausreizen können.
In der Öffentlichkeit ist es eine andere Sache. Inzwischen ist es so weit, dass ich nicht mehr Jakobs Hand halte, damit Paul sich nicht benachteiligt fühlt. Es ist nicht fair, aber wir können es auch nicht riskieren, dass unsere Beziehung der Praxis schadet. Die meisten Leute sind nicht offen genug, um unsere Verbindung zu erkennen. Sie sehen nur, dass ich die Frau bin, die mit zwei Männern schläft und dass ausgerechnet Jakob und Paul diese beiden Männer sind. Wir sind alle nicht glücklich darüber, selbst Ben nicht, aber für den Moment ist es eine Tatsache, mit der wir uns abfinden müssen.
Ich sehe auf den edlen Weißgoldring an meinem linken Ringfinger. Genaugenommen sind es drei ineinander verschlungene Ringe, bei denen einer mit kleinen Diamantsplittern versehen ist. Es war Pauls Geschenk für uns zu Weihnachten. Jakob und Paul haben die passenden Gegenstücke, allerdings ohne die Diamanten. Wir hatten unsere eigene kleine Zeremonie an Heiligabend, die mich auch jetzt, drei Tage später, noch zum Lächeln bringt. Es ist keine Verlobung, aber das liegt nur daran, dass wir nicht heiraten können. Wir versuchen, uns nicht zu sehr von dieser Tatsache runterziehen zu lassen, aber es ist nicht immer so einfach.
„Was geht in dem hübschen Kopf vor?“ Jakob stellt eine frische Tasse Tee vor mir ab und setzt sich neben mich auf die Couch. Es sind Weihnachtsferien und Ben ist am zweiten Weihnachtsfeiertag mit Stefan und seinen Eltern auf einen kurzen Skiurlaub gefahren, also haben wir die ganze Wohnung für uns alleine. Der Coffeeshop und die Praxis sind über die Feiertage geschlossen.
Die Ruhe ist göttlich und wir nutzen jeden Moment davon.
„Ihr geht mir durch den Kopf.“ Entspannt lege ich meinen Kopf auf seinen
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