Unerwartet (German Edition)
einfach nur um mit uns verbunden zu sein.
„Ich will keine Belastung sein. Das ist eine Rolle, mit der ich nicht klarkomme.“
„Du wirst für uns nie eine Belastung sein“, sagt Jakob. „Freu dich einfach, dass alles in Ordnung ist. Wir sorgen dafür, dass es so bleibt.“
„Kann ich eine Kopfschmerztablette nehmen und dann einfach nur ein bisschen mit euch im Bett liegen?“ Ich bin zu erschöpft, um weiter zu reden. Eigentlich gibt es auch nicht mehr viel zu sagen. Zum Glück lässt sich keiner der beiden zweimal bitten.
36.
Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich wieder in alter Form war. Die ganze Geschichte hat einiges ans Tageslicht gebracht, was ich bisher erfolgreich verdrängt habe. In den letzten Jahren habe ich einfach nur funktioniert, weil es das Einzige war, was ich tun konnte. Meine Stärke für Ben hat mich aufrecht gehalten, doch unter diesen Umständen ist sie eingeknickt wie ein Strohhalm.
Paul hat mir ein paar Stunden bei einer Therapeutin vermittelt. Obwohl ich mich anfangs sehr gegen den Gedanken gewehrt habe, werde ich morgen meine erste Sitzung mit ihr haben. Ich brauche wohl keine jahrelange Therapie, doch es ist vielleicht gut, sich ein paar Dinge bei einer unbeteiligten Person von der Seele zu reden. Jakob und Paul sind immer da, wenn ich mich ausheulen will, aber sie lieben mich und haben deswegen nicht die nötige Perspektive.
„Wo ist dein Kopf schon wieder?“
Paul steht neben mir an meinem Arbeitstisch und sieht dabei zu, wie ich die Red Velvet Cupcakes für Danielas Geburtstag verziere. Immer wieder versucht er, etwas von der Buttercreme zu erwischen, die ich mit der Spritztülle auftrage.
„Ausnahmsweise nur bei mir und wie es mir gerade geht.“ Ich sehe auf und lächle ihm zu.
„Und wie geht es dir?“ Mit dem Handrücken streichelt er über meine Wange.
„Ich bin okay“, sage ich und lehne meinen Kopf auf seine Schulter.
„Okay ist ein Anfang. Glücklich bekommen wir dich auch noch.“
Paul küsst mich auf den Scheitel und stößt sich dann vom Tisch ab, um Jakob die Hintertür zur Backstube zu öffnen.
„Das riecht köstlich hier drin“, bemerkt er und küsst dann Paul auf den Mund, bevor er seine Arme um mich schlingt.
„So kann ich nicht arbeiten“, protestiere ich kichernd, als er stürmisch meinen Hals abknutscht. Prompt verunglückt mir der erste Cupcake.
„Siehst du? Den kann ich jetzt wegschmeißen.“
Mein Versuch, ihn in den Mülleimer zu befördern, wird von großem Protest begleitet. Auf halbem Weg fängt Paul mich ab und nimmt ihn mir aus der Hand. Er hält den verschmierten Cupcake so vorsichtig zwischen den Fingern, als handele es sich dabei um ein Neugeborenes.
„Das kann man noch essen“, verkündet er mit größter Ernsthaftigkeit und macht sich daran, die Buttercreme abzulecken.
„Was ist mit mir?“
Jakob löst sich von mir und stellt sich vor Paul.
„Was soll mit dir sein?“, fragt der mit Unschuldsmiene. „Ich hab schon dran geleckt. Jetzt ist es meins.“
Die Beiden sind manchmal solche Kinder.
„Stört mich bei Katharina nicht, also warum sollte es mich bei einem Cupcake stören?“
„Möchtest du auch einen, Jakob?“
Ich will ja nicht, dass sich einer der beiden vernachlässigt fühlt.
„Nein, danke. Was ich will, ist direkt vor meiner Nase.“
Er schiebt sich zwischen Pauls Beine und drückt ihn an die Tischkante. Erfolglos versucht er, nach dem Cupcake zu schnappen, den Paul über seinen Kopf hält. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Jakobs sich an Pauls Schritt reibt, um ihn abzulenken. Paul bietet ihm seinen Mund, statt etwas von dem lädierten Törtchen abzugeben.
Wie zur Hölle soll ich bei diesem Anblick konzentriert arbeiten?
Jakob, nicht mehr so zögerlich wie früher, kommt ihm entgegen. Die beiden küssen sich leidenschaftlich, während ihre Hände immer noch um diesen verfluchten Cupcake kämpfen.
„Ich plane, mir bei Danielas Mädelsabend einen kleinen Schwips anzueignen und demjenigen im Auto einen Blowjob zu gönnen, der mich heute Nacht abholt.“
Das bringt mir sofort alle Aufmerksamkeit ein.
„Du hast den Cupcake, also hole ich sie ab“, sagt Jakob sofort. Wie kleine Jungs, die sich um ein Spielzeug streiten.
Pauls Reaktion bringt mich zum Lachen. Er drückt Jakob den Cupcake an den Mund und beschmiert sein Gesicht komplett mit Buttercreme.
„Er gehört dir“, sagt er mit Nachdruck und zwinkert mir zu.
Es sind diese Momente, die mein Herz höher schlagen lassen.
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