Unerwartet (German Edition)
Einwand. Paul reicht ihm die Utensilien und verstaut das benutzte Material in einem kleinen Plastikbeutel. Nachdem alles erledigt ist, zieht er mir behutsam das T-Shirt runter.
Jakob nimmt meine Knie und zieht mich ein Stück näher an die Bettkante, damit er sich zwischen meine Beine hocken kann. Er streicht mir die Haare hinters Ohr und sieht einfach nur zu mir auf.
„Es geht mir nicht gut“, sage ich schließlich, einfach nur um die Stille zu brechen.
„Das sehen wir.“
Paul setzt sich hinter mich und legt sein Kinn auf meine Schulter.
„Es wird sicher nichts sein, Engel. Mach dir nicht solche Sorgen.“
„Das ist es nicht“, stellt Jakob fest. „Irgendetwas anderes bedrückt dich zusätzlich. Habe ich recht?“
„Nichts, womit ihr euch auseinandersetzen müsst.“
Ich küsse Pauls Wange und Jakobs Mund, um mich dann zwischen den beiden rauszuwinden. Im Wohnzimmer ist Ben, da muss ich nicht viel reden.
Jakob hängt noch mit Doktor Cremer am Telefon, als Maria an der Tür klingelt. Ich sehe Jakob lächeln und weiß schon, was das heißt. Es ist gut und ich bin beruhigt für den Moment. Aber deswegen geht es mir nicht besser.
„Sie haben keine verdächtigen Zellen gefunden“, sagt Jakob, in der Sekunde, in der er das Gespräch beendet. Bens Gesicht in diesem Moment ist das größte Geschenk, denn erst jetzt fällt mir auf, wie angespannt er in den letzten Tagen war.
Paul und Jakob umarmen mich, obwohl Maria im selben Moment durch die geöffnete Tür kommt. In der Hektik des Moments fällt ihnen nicht auf, dass ich ihre Umarmung kaum erwidere.
„Das sieht nach guten Nachrichten aus“, sagt Jakobs Mutter und stellt einen Korb voller Vorratsdosen auf dem Boden ab. Sie schiebt meine Männer einfach beiseite und legt ihre Arme um mich, wenn auch nur kurz.
„Das freut mich so für euch, Kati. Ich hab dir doch gesagt, alles wird gut.“
Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, was mir augenblicklich alle Aufmerksamkeit einbringt.
„Es ist nicht alles gut. Mit meiner Vorbelastung kann es jederzeit aufkommen.“
„Das ist Unsinn, Katharina.“
Jakob versucht, nach meiner Hand zu greifen, doch ich gehe drei Schritte zurück. Diese Szenen sind überhaupt nicht meine Art, aber sie lassen mich einfach nicht in Ruhe. Seit Tagen kleben alle wie die Fliegen an mir. Jeder ist so besorgt um mein Wohlergehen. Ich kann das nicht ertragen.
„Was ist das Problem, Engel? Du stößt uns weg und wir wissen absolut nicht, warum du das machst. Wir sind für dich da, doch irgendwie scheint das genau das falsche Verhalten zu sein.“
Pauls Stimme zittert. So emotional kenne ich ihn nicht.
„Das Problem ist, dass ich euch zu sehr liebe, um euch das zuzumuten. Ich will mit euch Liebe machen, nicht beim Kotzen die Haare gehalten kriegen.“
Mir ist bewusst, dass ich gerade den vollen Umfang unserer Beziehung vor Jakobs Mutter ausbreite, doch im Moment könnte mich das nicht weniger interessieren.
„Ich will nicht, dass ihr dabei zusehen müsst, wie die Chemo mich immer schwächer macht und mir die Haare ausfallen. Paul, du liebst meine Haare.“
Maria hat sich als stiller Beobachter in eine Ecke des Raumes verzogen, während Jakob und Paul auf mich einreden. Ben sitzt immer noch auf der Couch. Ich glaube, er weint.
„Doktor Cremer hat deine gesamte familiäre Vorgeschichte abgeklärt und sogar einen Gentest gemacht. Du bist nicht gefährdeter als jede andere Frau trotz der Erkrankung deiner Mutter. Das habe ich dir schon erklärt. Und selbst wenn, wir wollen alles von dir. Nicht nur die starke und gesunde Katharina.“
Die beiden kommen wieder auf mich zu, aber ich gebe ihnen keine Chance und flüchte mich stattdessen aus der Situation.
Die Schlafzimmertüre hinter mir zuzuknallen, verschafft mir auch keine Befriedigung. Ich setze mich auf die Bettkante und spüre jetzt erst, dass ich am ganzen Körper unkontrolliert zittere. Meine Atmung kommt stoßweise und ist auf dem besten Wege, in eine ausgewachsene Panikattacke umzuschlagen.
Maria tritt ohne anzuklopfen in den Raum, was selbst mich überrascht, da sie wie eine Frau scheint, die großen Wert auf gewisse Umgangsformen legt. Ihre Anwesenheit regt mich nicht so sehr auf, wie es gerade die von Jakob und Paul tun würden.
Sie bleibt an der geschlossenen Tür stehen und zeigt hinter sich.
„Ich habe den Männern gesagt, dass sie unter allen Umständen draußen bleiben sollen.“
„Okay.“
Dankbar nicke ich ihr zu und setze mich auf meine
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