Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
Vom Netzwerk:
volles Kompliment von ENTER-EINS! Zurück aber zur Psychologie... Ihre Diplomarbeit haben sie über die Koprophagie geschrieben. Wir sind ja nicht so gebildet wie Sie... Was ist denn das bitte?»
    «Das Kotessen aus krankhafter Neigung...»
    Der Großinquisitor nickte und zog ein Schwarzweißfoto aus seinem Scharfrichterrock. «Weiß denn Ihre wunderschöne Freundin da oben auf der Tribüne.» Er zeigte mit großer Geste hinauf. «... weiß die denn eigentlich... Ich hab ein Foto davon, hier, garantiert echt...» Er hielt es in die Kamera. «... daß Sie damals auch Selbstversuche unternommen haben...» Und dann sang er: «Küß mich, bitte, bitte, küß mich...»
    Die junge Ärztin stürzte zur Tür. Das Publikum explodierte, kreischte, wieherte, wälzte sich in Lust, Vergnügen, Schadenfreude.
    Der Zeiger über dem elektrischen Stuhl krachte gegen den Kontaktstift, Nebelschwaden und grelle Blitze wurden ausgelöst, und Ruben Jungverdorben sprang auf, fetzte sich die Drähte vom Leibe und lief seiner Freundin hinterher.
    Noch zehn Sekunden anarchisches Lachen, dann kam der große Werbeblock.
    «O Gott...!» Heike stöhnte auf. Erst jetzt wurde ihr so richtig klar, auf was wir uns da eingelassen hatten. Viele ihrer Freundinnen luden sie zu keiner Party mehr ein.
    Der Großinquisitor hatte schnell begriffen, daß dieser Triumph, so schön er war, leicht den Gesamterfolg gefährden konnte, denn wenn schon der erste Kandidat den absoluten Höhepunkt des Abends gebracht hatte, waren die Leute schnell und insgesamt enttäuscht, wenn nun nichts Großes mehr kam, und drückten sich vielleicht, was das Schlimmste war, schon vor Ende seiner Sendung andere Kanäle ins Zimmer.
    «Sven Viebak wird nicht kommen», sagte ich. «Das ist doch so unfaßbar schlimm hier, so peinlich hoch dreiundzwanzig, daß man sein Leben lang total sein Gesicht verloren hat.»
    «... und dafür eine halbe Million Mark gewonnen. Und ist der Held für alle – bis auf die Handvoll Intellektuellen, die Rundfunkprogramme produzieren, wo die Einschaltquote unter 1000 Hörern liegt, 0,001 Prozent – statistisch nicht mehr erfaßbar.»
    Ich stand auf. «Komm, wir gehen...!»
    Heike drückte mich auf meinen Sitz zurück. «Denk daran: er ist ein Mörder. Und um weitere Verbrechen zu verhindern, ist mir sogar das hier recht.»
    «Das ist doch selber ’n Verbrechen!»
    «Komm, nun laß mal die Kirche im Dorf.»
    Weiter ging’s. Sven Viebak betrat die Arena – tatsächlich! – und wurde mit pathologischem Jubel begrüßt. Er wurde zum (elektrischen Stuhl) gebracht, mußte sich setzen, wurde angeschnallt und angeschlossen. Schließlich schwebte auch das Damoklesschwert hart über ihm.
    Ein kurzer Werbeblock und erneut das Jingle.
    «ENTER-EINS — die Nummer 1 des Entertainments!»
    Dann kam der Großinquisitor und begann das Spiel.
    «Sein oder Nichtsein nun für Sie...» Er fixierte sein Opfer, prüfte die Schärfe seines Beiles und blickte in die Kamera. «Da ist einer, Ihr Lieben, der erst für eine Bank gelebt hat und jetzt auf einer lebt. Hallo, loser!»
    «Verlierer sind die, die mich verloren haben — als Mitarbeiter.»
    Ich staunte, wie cool Viebak die Sache begann.
    «Nun...» Es war offensichtlich, daß der Großinquisitor Schwierigkeiten hatte, wieder zu der Form zurückzufinden, die er bei Ruben Jungverdorben an den Tag gelegt hatte. «Herr Viebak, vorne Vieh, sehr interessant, Sie sollen eine Kollegin in Ihrer Bank wie ein Stück Vieh behandelt haben, so betatscht...»
    «Das ist eine üble Verleumdung, nichts als Mobbing!» Sven Viebak tat zwar so, als würde er diesen Vorwurf nur lächerlich finden, doch der Zeiger über ihm kroch auf die 8. Bis er die Runde zum Kontaktstift zurückgelegt hatte, bis zur 60 also, war es aber noch ein weiter Weg.
    «Das erste Mal mit der Polizei in Kontakt gekommen sind Sie ja schon als Zwölfjähriger. Das große Schulfest, der Erweiterungsbau, wo Sie auf der Straße für sammeln sollten. Da haben Sie dann zu Hause die Büchse aufgebrochen und über hundert Mark geklaut. Schäbig, was?»
    «... ’ne Jugendsünde!»
    «Eine schöne Vorbereitung auf eine Bankkarriere...» Der Großinquisitor ließ ihm keine Zeit zum Atemholen. «Draußen wartet eine der Bordsteinschwalben von der Oranienburger Straße. Die haben Sie mal im Mai um ihren – wie das so heißt – Dirnenlohn betrogen... Weil’s Ihnen nicht gekommen ist...»
    «Weil ich nicht deswegen mit ihr verhandelt habe, sondern im Auftrag meiner Bank

Weitere Kostenlose Bücher