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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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überschlug und über einen der Steine hin in die Tiefe stürzte.
    Baltzer starrte kalt und mitleidslos ihm nach...
     
    Ich ließ das Buch wieder sinken und stellte mir vor, wie ich meinen eigenen Sohn hassen würde, wenn ich ihn mit Heike erwischte. Kein schönes Thema. Ich legte «Ellernklipp» wieder beiseite. Ein Thema, das mich ebenso beunruhigte wie das, was dauernd durch die Presse ging: die Geschichten, wo Frauen Männern den Penis abschnitten. Blieb die Flucht ins Fernsehen. Knopfdruck und das Logo von ENTER-EINS flammte auf. Der Großinquisitor in einer Wiederholung. Ich erinnerte mich noch gut an meinen lieben neuen Freund und neidete ihm weiterhin seine lusterfüllten Stunden im «Club Dionysos» in der Spessartstraße. Ich schloß die Augen und stellte mir vor, nackt und schon mit Präser auf Roxanas Bett zu liegen... Sie kommt herein. Ganz in Schwarz. Strümpfe, Gürtel, Strapse, Slip. Meine Hand fuhr unter die Decke. Es wurde Wirklichkeit und war viel schöner, als es in Wirklichkeit gewesen wäre. Bis ich aus dem Fenster sah und drüben Luise Tschupsch entdeckte. Plötzlich steht vor ihr ein Mann. Mit einer Pistole in der Hand. Der Großinquisitor. Er hält sie der Tschupsch vor den Mund und drückt dann ab.
    Heike war zum Einkäufen ausgerückt und kam mit mieser Laune zurück.
    «Vorm U-Bahn-Eingang hab ich Enrico getroffen...»
    «... Caruso? Ist der nicht schon lange...?»
    «Quatsch: Enrico Pritzkoleit, Yaizas Freund.»
    «Kannst sie ja mal beide einladen zum Gegenbesuch.»
    Sie kam näher zum Bett und baute sich leicht inquisitorisch am Fußende auf. «Aha. Yaiza Teetzmann hier in Tegel.»
    Ich ahnte, um was es jetzt ging. «Wir waren doch auch in Gransee bei denen...»
    Heike kam schnell zum Schmetterball. «Ihr seid gesehen worden ... In Oranienburg, am Lehnitzsee unten...»
    «Klar, als wir Sven Viebak festgenommen haben.»
    «Beim Petting.»
    «Sie hat sich ’n bißchen aufgewärmt bei mir.»
    «Und jetzt liegst du im Bett, damit sie zum Krankenbesuch... Schön durchgefroren von draußen...»
    «Sicher: Pedding im Wedding, Gevögel in Tegel.»
    «Na, warte.»
    Heike zog sich blitzschnell aus und schlüpfte zu mir unter die Decke.
    Als wir wieder erwachten und darüber philosophierten, wie unsinnig das Wort Beischlaf eigentlich war, schlief man doch erst danach und nicht dabei, war der Großinquisitor noch immer in Aktion.
    «Nimm doch den», sagte Heike.
    Ich sah sie an. «Wozu? Ich hab doch dich. Und wenn schon Mann, dann bestimmt nicht den.»
    «Quatsch! Ich meine, um deinen Viebak weichzuklopfen.»
    «Wie?»
    «Er soll den Viebak zu sich auf den (elektrischen Stuhl) holen. Das ist doch so ’ne Art Lügendetektor.»
    Ich setzte mich auf. «Meinst du, der Viebak geht da hin?»
    «Wenn ’ne halbe Million zu gewinnen ist. Die Brandenburgische Vereinsbank hat ihn schließlich rausgeschmissen, und er will sich irgendwie selbständig machen... als Finanzberater...»
    «Woher weißten das?»
    «Von Yaiza Teetzmann beziehungsweise Enrico.»
    «Hat er dich auch gewärmt im U-Bahn-Eingang...?»
    «Nicht nur das...»
    «Das gibt Rache!»
    Es war eine süße Rache und unterbrach unsere Diskussion für eine ganze Weile.
    Als wir wieder bei Sinnen waren, blendete ENTER-EINS die Anschrift ein, unter der sich Kandidaten für den ‹elektrischen Stuhl› melden konnten.

44. Szene
Fernsehstudio
    Jeden ersten Dienstag um 20 Uhr 15 gab es bei ENTER-EINS eine Sendung, die, so durchweg die Kulturkritik, das Widerlichste darstellte, was sich private Anbieter hätten ausdenken können». Die Intendanten und Sprecher von ARD und ZDF wie auch die Politiker aller Parteien kommentierten und attackierten sie pausenlos mit deckungsgleichen Worten und Wendungen: abscheulich, unchristlich, inhuman und zutiefst menschenverachtend, der größte Schandfleck in unserer Medienlandschaft, der letzte Beweis kulturellen Niedergangs, eine Schande für Deutschland.
    Worum ging es bei ‹ENTER-EINS – Elektrischer Stuhl›? Kurz gesagt, um das, was der Titel des amerikanischen Originals am besten zum Ausdruck brachte, um die psychological depletion. Wobei, ich hatte nachgeschlagen, depletion mit (Ent-)Leerung, Entblößung und auch Erschöpfung zu übersetzen war. Im Deutschen, so hatte mir Heike erklärt, müßte man mit einem Buchtitel Horst-Eberhard Richters wohl «Flüchten oder Standhalten» sagen. Der (elektrische Stuhl) war nämlich eine Art Lügendetektor, auf dem die Kandidaten, mit etlichen Drähten beklebt, Platz

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