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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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nicht zu beruhigen, und seine Stirn glänzte feucht.
    »Wie sich das äußert? Nun eben in Kleinigkeiten, in Imponderabilien. Schon bei den Streckproben merkte ich, daß sie Widerstand gegen mich einsetzte; ehe ich noch anfangen konnte, richtig zu untersuchen, revoltierte sie schon: »Unnötig, es ist das gleiche wie sonst«, und sonst wartete sie doch ungeduldigst auf meinen Befund. Dann, als ich bestimmte Übungen vorschlug, machte sie dumme Bemerkungen, wie: ›Ach, das wird doch auch nicht helfen‹ oder ›Damit kommt man auch nicht weit vorwärts‹ Ich gebe zu – solche Bemerkungen sind an sich ohne Wichtigkeit – schlechte Laune, überreizte Nerven –aber bislang, lieber Freund, hat Edith so etwas nie zu mir gesagt. Na, vielleicht war's wirklich nur schlechte Laune ... kann jedem passieren.«
    »Aber nicht wahr ... zum Schlechteren hat sich nichts verändert?«
    »Wie viele Ehrenworte soll ich Ihnen noch auf den Tisch legen? Wenn das mindeste los wäre, würde ich doch als Arzt ebenso beunruhigt sein wie Sie als Vater, und ich bin's, wie Sie sehen, nicht im geringsten. Im Gegenteil, dies Aufmucken gegen mich mißfällt mir ganz und gar nicht. Zugegeben – das Töchterlein gebärdet sich irritabler, heftiger, ungeduldiger, als vor ein paar Wochen – wahrscheinlich gibt sie auch Ihnen manche Nüsse zu knacken. Aber eine solche Revolte deutet anderseits auf eine gewisse Verstärkung des Lebenswillens, des Gesundheitswillens hin: je kräftiger, je normaler ein Organismus zu funktionieren beginnt, um so gewaltsamer will er natürlich mit seiner Krankheit endlich einmal fertig werden. Glauben Sie mir, wir lieben die ›braven‹, die fügsamen Patienten gar nicht so übermäßig, wie Sie meinen. Die helfen einem von sich aus am wenigsten. Unsereinem kann ein energischer und sogar ein rabiater Gegenwille vom Kranken her nur willkommen sein, denn sonderbarerweise erzielen diese scheinbar unsinnigen Reaktionen manchmal mehr Effekt als unsere weisesten Medizinen. Also nochmals – ich bin gar nicht beunruhigt: wenn man jetzt zum Beispiel eine neue Kur mit ihr anfangen wollte, könnte man ihr jede Anstrengung zumuten; vielleicht wäre jetzt sogar der gegebene Augenblick, die psychischen Kräfte, die gerade in ihrem Fall so entscheidend sind, ins Spiel zu bringen. Ich weiß nicht« – er hob den Kopf und sah uns an – »ob Sie mich ganz verstehen.«
    »Natürlich«, sagte ich unwillkürlich; es war das erste Wort, das ich an ihn richtete. All das schien mir so selbstverständlich und klar.
    Aber der alte Mann rührte sich nicht aus seiner Starre. Mit einem vollkommen leeren Blick sah er vor sich hin. Ich spürte, daß er von all dem, was Condor uns erklären wollte, aus dem Grunde nichts verstand, weil er nicht verstehen wollte. Weil seine ganze Aufmerksamkeit und Angst nur auf die Entscheidung eingestellt war: Wird sie gesund werden? Bald gesund? Wann gesund?
    »Aber welche Kur?« – er stotterte und stammelte immer, wenn er in Aufregung geriet – »Welche neue Kur ... Sie sprachen doch von irgendeiner neuen Kur ... welche neue Kur wollen Sie versuchen?« (Ich bemerkte sofort, wie er sich an dieses Wort »neu« anklammerte, weil darin für ihn etwas von neuer Hoffnung lag.)
    »Überlassen Sie das mir, lieber Freund, was ich versuche und wann ich's versuche – nur nicht drängen, nicht immer erzwingen wollen, was sich eben nicht zaubern läßt! Euer ›Fall‹, wie man bei uns so unangenehm sagt, ist und bleibt die Sorge meiner Sorgen. Wir werden schon damit fertig werden.«
    Der alte Mann blickte stumm und bedrückt. Ich sah, wie er sich nur mühsam bezwang, nicht doch und doch noch einmal eine seiner sinnlos-hartnäckigen Fragen zu tun. Auch Condor mußte etwas von diesem schweigenden Druck gespürt haben, denn er stand plötzlich auf.
    »Und nicht wahr, erledigt die Sache für heute. Meinen Eindruck habe ich Ihnen gesagt, alles Weitere wäre Faselei und Geflunker ... Selbst wenn Edith faktisch in nächster Zeit noch etwas irritabler werden sollte, erschrecken Sie nicht gleich, ich werde schon draufkommen, welche Schraube da losgegangen ist. Sie haben nur eines zu tun: nicht immer so verstört, so ängstlich um die Kranke herumzuschleichen. Und dann zum zweiten: gründlich auf Ihre eigenen Nerven achtzuhaben. Sie sehen ziemlich übernächtig aus und ich fürchte, Sie bringen sich mitIhrem Bohren und Wühlen mehr herunter, als Sie vor Ihrem Kind verantworten können. Am besten, Sie fangen gleich an, indem Sie

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