Ungeduld des Herzens.
schmatzigen Lippen ankostete, eine präzise Antwort auf eine derart vertrauliche Anfrage würde entlocken können.
»Nun, was gibt's denn Neues bei euch in der Gegend? Wird's was mit der Ernte? Nicht zu trocken gewesen die letzten Wochen, nicht zu heiß? Ich hab so was in derZeitung gelesen. Und in der Fabrik? Schlagt's ihr schon wieder die Preise auf im Zuckerkartell?« – mit solchen lässigen und ich möchte sagen faulenzerischen Fragen, die gar keine richtige Antwort verlangten, unterbrach Condor manchmal sein hastiges Kauen und Stopfen; meine Gegenwart schien er beharrlich zu übersehen, und obwohl ich schon allerhand von der typischen Medizinergrobheit vernommen hatte, setzte sich ein gewisser Zorn in mir fest gegen diesen gutmütigen Grobian; ich sprach aus Verdrossenheit kein einziges Wort.
Er aber ließ sich nicht im mindesten durch unser Vorhandensein stören, und als wir schließlich in den Salon hinüberwechselten, wo der schwarze Kaffee bereitstand, warf er sich behaglich ächzend gerade in den Krankenfauteuil Ediths, der mit allen besonderen Bequemlichkeiten, wie einem drehbaren Bücherregal, Aschenbechern und verstellbaren Lehnen, ausgestattet war. Da Ärger nicht nur boshaft, sondern auch scharfsichtig macht, konnte ich nicht umhin, mit einer gewissen Genugtuung bei diesem Hinfaulenzen festzustellen, wie kurz seine Beine mit den schlappenden Socken waren, wie schwabblig sein Bauch, und um nun meinerseits zu demonstrieren, wie wenig mir an seiner näheren Bekanntschaft gelegen sei, drehte ich meinen Fauteuil so herum, daß ich ihm eigentlich schon den Rücken zuwandte. Völlig gleichgültig aber gegen mein ostentatives Schweigen und Kekesfalvas nervöses Auf und Ab – der alte Mann geisterte unablässig im Zimmer herum, um ihm nur recht bequem Zigarren, Feuerzeug und Kognak bereitzustellen – räumte Condor gleich nicht weniger als drei Importen aus der Kiste, zwei sich zur Reserve neben die Kaffeetasse legend, und wie bereitwillig der tiefe Fauteuil sich auch seinem Körper anpaßte, er schien ihm noch immer nicht bequem genug. Er rückte und drückte herum, bis er die allerüppigste Lage gefunden. Erst als erdie zweite Schale Kaffee getrunken, atmete er wohlig, wie ein gesättigtes Tier. Widerlich, widerlich, dachte ich mir. Aber da streckte er plötzlich die Glieder lang und blinzelte Kekesfalva ironisch an.
»Na, Sie Laurentius am Rost. Sie gönnen mir wahrscheinlich meine gute Zigarre nicht, weil Sie's nicht erwarten können, daß ich endlich Rapport erstatte! Aber Sie kennen mich ja. Sie wissen, ich misch nicht gern Mahlzeit und Medizin – und dann, ich war wirklich zu hungrig, zu müde. Seit halb acht Uhr früh schaukle ich heute ununterbrochen auf den Beinen, und mir war schon, als wäre nicht nur der Magen, sondern auch der Kopf ganz auf dem Trockenen. Also« – er sog langsam an der Zigarre und blies den grauen Rauch in rundem Kringel aus – »also, lieber Freund, gehen wir's an! Alles geht ganz gut. Gehübungen, Streckübungen, alles sehr anständig. Um ein Atom geht's vielleicht besser als das letzte Mal. Wie gesagt, wir können zufrieden sein. Nur« er sog abermals an der Zigarre – »nur im allgemeinen Habitus ... so in dem, was man das Psychische nennt, fand ich sie heute ... aber, bitte erschrecken Sie nicht gleich, lieber Freund ... fand ich sie heute etwas verändert.«
Trotz der Warnung erschrak Kekesfalva maßlos. Ich sah, wie der Löffel, den er in der Hand hielt, zu zittern begann.
»Verändert ... wie meinen Sie ... wieso verändert?«
»Nun – verändert heißt verändert ... ich habe doch nicht gesagt, lieber Freund: verschlechtert. Legen Sie mir, wie Vater Goethe sagt, nichts aus und nichts unter. Ich weiß vorläufig selbst noch nicht genau, was los ist, aber ... aber etwas stimmt halt nicht.«
Der alte Mann hielt den Löffel noch immer in der Hand. Er hatte offenbar nicht die Kraft, ihn niederzulegen.
»Was ... was stimmt nicht?«
Doktor Condor kraulte sich den Kopf. »Tja, wenn ich das wüßte! Jedenfalls beunruhigen Sie sich nicht! Wir sprechen doch ganz akademisch und ohne Faxereien, und ich sag's lieber noch einmal ganz deutlich: nicht das Krankheitsbild kam mir verändert vor, sondern in ihr selbst hat sich etwas verändert. Irgend etwas, ich weiß nicht was, war mit ihr heut los. Zum ersten Mal hab ich das Gefühl gehabt, sie sei mir irgendwie aus der Hand gekommen« – er sog wieder an seiner Zigarre, dann wechselte er scharf mit seinen kleinen
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