Ungezaehmtes Verlangen
ab. Aber sie war so schwach.
Schweißperlen traten ihr auf die Stirn und rollten ihre Schläfen hinab. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Lyons Gesicht. Der Schmerz in seinen Augen, als er sie in dem Kerker entdeckt hatte. Seine Lust, als er mit ihr geschlafen hatte. Und seine Zärtlichkeit, als er sie gebeten hatte, dort zu bleiben. In Sicherheit … bei Hawke.
Wenn er sie tot fand, würde er das nicht überleben.
Sie hielt die Strahlung, so gut sie konnte, auch wenn sie vor Anstrengung zitterte.
Schließlich ließ die Kreatur ihre Haare los – und sie knallte mit dem Kinn auf den Betonboden. Sie sah Sterne, hielt aber die Strahlung, denn sie wusste, dass sie nur so zu Lyon zurückkam.
Sie hörte, wie ihr Angreifer auf den Asphalt unter ihr sprang, den Deckel auf den Behälter knallte und davoneilte.
Sie strahlte weiter, spürte, wie die Wärme sie langsam heilte und die Strahlung ihr neue Kraft verlieh. Sobald sie dazu in der Lage war, hob sie den Kopf und rollte sich auf den Rücken – und weg von dem Abgrund. Ein zaghaftes, erschöpftes Lächeln umspielte ihre Lippen.
Sie hatte überlebt.
Mit ihren Sinnen suchte sie nach Lyon, um ihren Triumph mit ihm zu teilen. Seine Erleichterung äußerte sich in einem leuchtenden Gefühlsrausch, den sie nur als Liebe deuten konnte. Die grauen Wolken über ihr wirkten durch ihren Tränenschleier wie silberne Kristalle. Er hatte ihr noch nicht gesagt, dass er sie liebte. Aber die Liebe, die sie selbst über diese Entfernung hinweg spürte, erfüllte sie mit einer Wärme, die ihr den Schmerz, die Angst und die Einsamkeit nahm.
Sie fühlte sich ihm nahe und schaffte es, sich auf die Ellbogen zu stützen, als er die Rampe heraufkam. Er hob sie hoch in seine Arme und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Eine ganze Weile sagte er kein Wort, hielt sie nur fest und zitterte.
Schließlich löste er sich von ihr und musterte mit schmerzerfülltem Blick ihr Gesicht. »Alles okay?«
»Mir geht es … gut.«
Sein Blick wirkte noch gequälter. »Ich habe gespürt, wie du immer schwächer wurdest.«
»Er hat meine Energie ausgesaugt. Wie ein Drader.«
»Er ist auch einer. Ein Drader, der zu einem Klon geworden ist.« Auf einmal wirkte seine Miene überrascht. »Wie hast du es geschafft, hier zu erstrahlen?«
Kara zuckte leicht mit der Schulter. »Das war doch meine einzige Chance. Sonst wäre ich gestorben.« Voller Zärtlichkeit sah sie ihn an. »Und ich konnte dich doch nicht allein lassen.«
Die Liebe, die sie in seinen Augen sah, brachte sie zum Weinen. Er küsste sie lange und zärtlich, dann löste er sich von ihr.
»Du solltest jetzt lieber dein Licht löschen lassen, bevor dich jemand sieht.« Er hielt sie in den Armen und trug sie die Rampe hinunter, als hätte sie kein Gewicht.
»Er hat mein Blut in einen Behälter abgefüllt.« Kara ließ die Strahlung verglimmen.
»Wir glauben, dass die Hexe die Klone dazu benutzen will, die Dämonen zu befreien. Wahrscheinlich, sobald dieser hier zurückgekehrt ist. Wir werden dorthin fahren, sobald Jag mit dem Wagen hier ist.«
»Lyon, lass mich aber nicht wieder zurück. Sie haben doch bereits, was sie von mir wollten. Ich bin jetzt nicht mehr in Gefahr.«
»Wenn die Dämonen frei sind, sind wir alle in Gefahr.« Er begegnete ihrem Blick, und seine bernsteinfarbenen Augen wirkten zugleich unendlich zärtlich und so hart wie Stein. »Aber ich lasse dich niemals wieder aus den Augen.«
*
Die Atmosphäre im Wagen war angespannt, als sie eine Stunde später mit dem Hummer am Haus ankamen. Die ganze Fahrt über hatte Lyon Kara auf dem Rücksitz an sich gedrückt und sich immer wieder davon überzeugt, dass es ihr gut ging. Dass sie lebte. Er war sich noch nie so hilflos vorgekommen wie in dem Augenblick, als er gespürt hatte, dass das Leben aus ihr wich, und er zu weit entfernt gewesen war, um es zu verhindern. Er war hundert Tode gestorben, während er weitergelaufen war und versucht hatte, zu ihr zu kommen, bevor es zu spät war.
Doch die kleine Kriegerin hatte sich selbst gerettet.
»Er ist schon da?«, stellte Paenther fest. Der Wagen hatte noch nicht ganz angehalten, als die Männer bereits die Türen aufstießen und heraussprangen.
Lyon zog Kara mit sich. So gern er sie auch von der Hexe ferngehalten hätte, er würde sie doch nicht noch einmal zurücklassen. Als der Wind über ihn hinwegstrich, kroch etwas Ranziges über seine Haut.
»Ein ritueller Zauber«, sagte Tighe. »Sie haben schon angefangen.«
»Gehen
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