Ungezaehmtes Verlangen
jeder Drader versuchen sie, eure Lebensenergie aus euch herauszusaugen, wenn sie mit dem Mund an euch herankommen. Diese Drader sind so groß und stark wie ihr. Sie können euch genauso gut umbringen.«
»Verstanden.«
»Lyon«, sagte der Schamane. »Pass auf die Hexe auf. Sie ist stark. Stärker als jeder Magier, dem ich in über tausend Jahren begegnet bin. Sie ist im Besitz alter Zauberkräfte. Besonders mächtiger Zauberkräfte. Sei sehr, sehr vorsichtig.«
»Ich werde alles tun, um sie aufzuhalten, Schamane. Mehr kann ich nicht versprechen.«
Er klappte das Telefon zu und griff nach seinem Messer.
»Willst du mir erklären, was mit unseren Seelen passiert ist, Boss?«, erkundigte sich Jag gedehnt.
»Gleich. Gebt mir eure Hände.«
Ohne zu zögern, streckten ihm die drei Krieger ihre Handflächen entgegen. Noch nicht einmal Jag beschwerte sich. Drei kleine, nicht sehr tiefe Schnitte bestätigten ihm, dass sie aus Fleisch und Blut waren. Er ritzte sich in die eigene Hand und hielt sie wie eine Trophäe hoch. Doch die anderen sahen ihn nur verwirrt an.
»Was ist los, Leu?«, fragte Tighe.
»Kara ist in Schwierigkeiten. Verdammt, wir sind alle in großen Schwierigkeiten.«
*
»Sie haben angehalten.« Lyon hielt die Augen geschlossen und konzentrierte sich ganz auf Kara, während Jag fuhr. Die Angst hielt ihn fest in ihren Krallen. Er hätte sie nicht verlassen dürfen. Verdammt, wann würde er das endlich einmal lernen? Sie gehörte doch zu ihm. An seine Seite.
»Wo?«, fragte Paenther.
»Irgendwo zwischen den Ausfahrten zur I-95 und der Route 50.«
»Das ist aber nicht sehr genau. Welche Ausfahrten gibt es dort?«
»Ich glaube, sie haben keine Ausfahrt genommen. Es fühlt sich an, als hätten sie nur angehalten. Wartet mal. Jetzt setzten sie sich wieder in Bewegung. Langsam. Sehr langsam.« Er schöpfte Hoffnung. »Ich glaube, sie läuft.«
»Gut für sie«, sagte Jag, und seine Stimme war kaum mehr als ein Knurren.
»Die Sonne geht in weniger als einer Stunde unter«, stellte Tighe fest. In weniger als einer Stunde würden die Drader also an ihr hängen. Aber vielleicht dauerte es auch noch nicht einmal so lange, wenn ihr ein Draderklon auf den Fersen war.
Vor ihnen machte die Straße eine Kurve, dahinter tauchte ein Meer von Bremslichtern auf.
Jag fluchte und trat auf die Bremse.
»Wo ist dein Flugzeug, wenn wir es mal brauchen, Tighe?«, knurrte Paenther.
»Um diese Uhrzeit zwei Stunden westlich von hier. Wenn wir doch nur Hawke dabeihätten.« Seine Worte fielen in die Stille wie Steine auf Glas. »Den echten Hawke meine ich«, fügte er hinzu. »Wenn er sich verwandeln könnte.«
»Geht er immer noch nicht ans Telefon?«, fragte Jag.
»Nein«, erwiderte Paenther mit grimmiger Stimme. »Keiner von ihnen.«
Lyon starrte auf die stehenden Autos. Er würde auf keinen Fall im Verkehr stecken bleiben, während Kara um ihr Leben kämpfte. Als der Hummer dann doch vollständig zum Stehen kam, griff Lyon nach der Tür.
»Ich laufe. Lest mich unterwegs auf, wenn ihr weiterfahrt.«
Er sprang aus dem Wagen, knallte die Tür wieder zu und lief augenblicklich los. In dieser Gestalt war er leider nicht schneller als ein Mensch, aber immerhin konnte er lange durchhalten. Und er war deutlich schneller als die Autos.
Dabei konzentrierte er sich auf Kara. Von hier aus vermochte er ihre Gefühle nicht wahrzunehmen und war beinahe froh darüber. Er wusste, dass sie verängstigt war. Wenn sie lief, hatte sie gewiss schon herausgefunden, dass Hawke nicht derjenige war, für den sie ihn gehalten hatte. Wenn der Klon sie aber fing, dann würde er ihr auch wehtun.
Seine eigene Angst war so heftig, dass er sie kaum ertragen konnte – die Angst, dass sein Instinkt sie auf einmal nicht mehr spürte und damit das einzige Licht, das jemals seine Seele erhellt hatte, für immer erloschen war.
*
Kara rannte um ihr Leben, einen steilen Straßendamm neben dem Highway hinab, auf eine Gruppe alter Gebäude zu. Hinter sich hörte sie ein Hupkonzert und sah über ihre Schulter zurück. Der Mann, der wie Hawke aussah und es doch nicht war, war mitten auf der Straße aus dem Auto gesprungen und verfolgte sie nun mit einem riesigen Plastikbehälter in der Hand.
Sie wusste, wozu er ihn benutzen wollte. Um ihr Blut zurück zu Zaphene zu bringen. Die Hexe würde es benutzen, um den Großen Dämon und seine Horde zu befreien, die dafür im Gegenzug versuchen mochten, die Krieger zu vernichten. Er durfte ihr Blut nicht
Weitere Kostenlose Bücher