Ungezaehmtes Verlangen
Backstein. Es verfügte über drei Etagen mit Gauben auf der obersten Etage und schwarzen Fensterläden vor jedem Fenster. In der Dunkelheit wirkte das Haus kühl und bedrohlich, wie aus einem Gruselmärchen. Fehlte nur ein donnerndes Gewitter, Blitze und ein paar Krähen – dann wäre es der ideale Schauplatz für einen Horrorfilm gewesen.
Dieser Gedanke trug nicht gerade dazu bei, das ungute Gefühl zu vertreiben, das gerade ihren Magen zusammenpresste.
Die Auffahrt wurde zusehends breiter und beschrieb kurz vor dem Haus eine Kurve. Dort standen etliche teuer aussehende Wagen, darunter auch einige tiefergelegte Sportwagen, ein Hummer und ein gelber Porsche.
Tighe parkte den Landrover hinter einem roten Cabrio und suchte ihren Blick im Rückspiegel. »Herzlich willkommen zu Hause, Kara. Wir sind hier ganz schön viele – auf einen Haufen.« Er grinste, auf seinen Wangen bildeten sich tiefe Grübchen. »Aber mit der Zeit wirst du uns schon lieben lernen.«
»Sicher«, murmelte Kara, doch der Gedanke, gleich mit neun Kerlen – wie diesen beiden hier – zusammenzuleben, raubte ihr den Atem.
Lyon hielt ihr die Autotür auf und half ihr in die feuchte morgendliche Kälte hinaus. Während sie über den kurzen, gepflasterten Weg auf das Haus zugingen, musterte sie Lyon von der Seite. »Sind die Drader auch hier?«
»Sie sind überall, wo wir sind. Aber das Haus ist geschützt. Hier bist du in Sicherheit.«
»Warum habe ich noch nie zuvor von ihnen gehört?«
»Sie interessieren sich normalerweise nicht für Menschen und können von ihnen nicht gesehen werden. Die Drader ernähren sich ausschließlich von der Energie der Therianer. Unter den Menschen warst du mit deiner … unangetasteten Energie immer sicher. Bis ich aufgetaucht bin. Solange du nachts im Haus bleibst, kann dir aber nichts passieren.«
»Es sind Nachtwesen?« Kara folgte ihm die breiten Steinstufen zur Eingangstür hinauf.
»Ja.« Lyon schob sie in eine dämmerige, runde Eingangshalle mit einer hohen Decke, die nur von einem elektrischen Wandleuchter erhellt wurde. Zwei Treppen mit aufwendig geschnitzten Holzgeländern schraubten sich in das erste und dann weiter in das zweite Stockwerk hinauf. Mit großen Augen blickte Kara zuerst nach oben und ließ ihren Blick über eine von der Decke herabhängende Kette schweifen, an der der größte Kronleuchter hing, den sie jemals gesehen hatte. Allmählich ließ sie ihren Blick weiter nach unten wandern, musterte die üppig tapezierten Wände, an denen Bilder mit Garten- und Blumenmotiven hingen, und ließ ihn schließlich auf dem Holzfußboden unter ihren Füßen ruhen. Wie in einem antiken Tempel spielten dort nackte Männer und Frauen in einem Wald Verstecken, in dem es von Einhörnern und Zentauren sowie allen möglichen Arten von mythischen Wesen nur so wimmelte.
Es kam ihr vor, als hätte sie einen kleinen Palast betreten, da begegnete ihr Blick dem Lyons. »Wie viele Frauen leben hier?«
»Pink ist abgesehen von den Strahlenden die einzige Frau, die dauerhaft hier wohnt. Manchmal bringen die Männer für einige Zeit eine Freundin mit. Pink kocht für uns und kümmert sich um den Haushalt.« Er führte sie über den bemalten Boden zu der rechten Treppe. »Warum fragst du? Suchst du Verbündete?«
»Nein, obwohl ich schon gern eine Freundin hätte. Ich versuche nur, die ausgefallene Dekoration mit einem … Haus voller Männer zusammenzubringen. Ich hatte eher Holzvertäfelungen erwartet und vielleicht auch ein paar Hirschgeweihe an der Wand.«
Tighe gab ein leicht pikiertes Hüsteln von sich. »Wir stehen nicht so auf Tierköpfe.« Er ging die Treppen hinauf. »Ich leg mich noch ein paar Stunden aufs Ohr.«
Lyon nickte und wandte sich an Kara. »Um die Dekoration hat sich Beatrice gekümmert, nicht wir. Beatrice war deine Vorgängerin. Die letzte Strahlende.«
»Was ist mit ihr geschehen?«
»Sie ist vor sechs Monaten gestorben.«
»Wie das?«, fragte Kara stirnrunzelnd. »Ich dachte, wir alle wären unsterblich.«
»Wir sind aber nicht unzerstörbar. Wir können sterben und tun es auch. Beatrice ist bei offenem Fenster eingeschlafen. Die Drader hatten sie erwischt, bevor wir bemerken konnten, was da vor sich ging.«
»Das tut mir leid.«
Lyon nickte. »Niemand lebt für alle Zeiten. Noch nicht einmal die Therianer.«
Kara erzitterte bei dem Gedanken, von diesen schrecklichen kleinen Biestern überwältigt und in Stücke gerissen zu werden, während sie das Leben aus ihr
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