Ungezaehmtes Verlangen
ihn aus tiefstem Schlaf geweckt hatte. Hätte Lyon das nicht bereits aus seinem Augenblinzeln geschlossen, er hätte es auf jeden Fall an der überschäumenden Wut gemerkt, die den Raum erfüllte. Jener Wut, die sich bereits vor Jahrhunderten in die Seele des Gestaltwandlers gebrannt hatte und die er nur mit Hilfe seines eisenharten Willens unter Kontrolle hielt.
»Sie ist hier.«
»Der Göttin sei Dank.« Paenther ließ ihn los, um sich durch die glatten schwarzen Haare zu streichen, die ihm bis auf die Schultern reichten. Eine Strähne fiel nach vorn und bedeckte das archaische Zeichen der Krieger über seinem linken Auge. »Wie schnell können wir sie inthronisieren?«
Lyon schüttelte den Kopf. »Sie ist von Menschen erzogen worden.«
»Sie ist also überhaupt nicht vorbereitet?«
»Nein. Das braucht Zeit.«
»Wie ärgerlich. Wenn das hier nämlich noch lange dauert, dann dürfte es verdammt schwer werden, die Drader wieder unter Kontrolle zu bringen. Wir müssen endlich unsere Gestalt wandeln können!«
»Was ist mit Foxx und der Klinge der Dämonen?« Gleich nachdem Lyon Kara aufgespürt hatte, war er aufgebrochen, um sie zu suchen, und hatte Foxx seinem Stellvertreter Paenther überlassen. »Bist du dem auf den Grund gegangen?«
Paenther schüttelte den Kopf. »Erst schwört er, dass er überhaupt nicht in die Höhle gegangen sei, im nächsten Augenblick behauptet er aber, dass er die Klinge der Dämonen nur ansehen wollte und sie versehentlich mit der Klinge des Rituals verwechselt hat. Dann wieder versichert er, er habe sie gar nicht aus der Höhle mitgenommen. Ich glaube, er hat es nicht mit Absicht getan. Das Problem ist die fehlende Strahlung. Er ist noch jung. Die ersten paar Jahre, nachdem man gezeichnet wurde, sind keine leichte Zeit. Er leidet selbst am meisten darunter.«
»Behalt ihn im Auge. Alle. Wir können uns nicht noch mehr Fehler von der Sorte leisten.«
»Das werde ich tun.«
Lyon ging, um sich noch ein wenig schlafen zu legen, doch als er sich der Treppe näherte, die vom ersten in den zweiten Stock und zu seinem Zimmer führte, drang ein helles Frauenlachen vom anderen Ende des langen Flurs zu ihm herüber. Das war Zaphene, die Freundin von Foxx seit … wie lange schon? Seit fünf Monaten? Sechs? Zaphene schien mehr Nächte im Haus der Krieger zu verbringen als in der therianischen Enklave, die sie eigentlich ihr Zuhause nannte. Er glaubte allmählich, dass es tatsächlich eine dauerhafte Beziehung zwischen den beiden werden könnte. Der junge Foxx benahm sich jedenfalls wirklich wie ein Mann, der fast vollkommen verrückt vor Liebe war.
Doch als das Paar ins Licht einer Wandlampe trat, sah Lyon, dass die heißblütige Rothaarige nicht in Begleitung von Foxx, sondern von Vhyper war. Obwohl sie sich gegenseitig nicht berührten, strahlten sie etwas aus, das ihn zu der Frage veranlasste, ob Foxx’ Traum nicht vielleicht ein jähes Ende finden könnte.
»Hast du unsere Strahlende gefunden?«, fragte Vhyper, als sie sich an der Treppe begegneten.
Lyon nickte. »Ja.«
Vhyper grinste. »Gut. Das ist sehr gut.«
Lyons Blick zuckte von einem zum anderen. »Ihr seid früh auf. Was habt ihr zwei vor?«
»Kaffee trinken. Ich konnte nicht schlafen.«
»Wo ist Foxx?«
Vhyper zuckte die Achseln. »Er leckt seine Wunden. Paenther hat ihm gestern Abend eine Tracht Prügel verpasst.« Er packte Zaphene und zog sie fest an sich. Sie lachte auf. »Und solange er beleidigt ist, kümmere ich mich um seine Frau.« Vhyper hob vielsagend die Brauen. »Wenn der Kerl nicht bald aufhört zu schmollen, muss er sich eine neue Braut suchen.«
Lyon ging davon aus, dass Vhyper nur flirtete, doch es lag etwas in seinen Augen, das ihn beunruhigte. Er knurrte leise. Dass er eingreifen musste, weil sich zwei Männer um eine Frau stritten, hatte ihm gerade noch gefehlt.
Zaphenes kühles Lachen schmerzte Lyon in den Ohren. Sie löste sich aus Vhypers Griff und trat auf ihn zu. Ihre warmen Finger strichen seinen Unterarm entlang und ergriffen seine Hand. »Wenn ich wieder nach einem Mann Ausschau halte, sollte ich vielleicht ganz oben anfangen.«
Lyon entzog ihr seine Hand. »Ich komme nicht infrage.« Er schoss Vhyper einen scharfen Blick zu. »Tu mir einen Gefallen und behalt deine Hände bei dir, bis sich die Dinge hier wieder normalisiert haben. Das kann Foxx jetzt wirklich nicht brauchen. Keiner von uns braucht das …« Die Wände und der Fußboden drehten sich.
»Ganz ruhig, Löwe.«
Lyon
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