Ungezaehmtes Verlangen
merkte, wie er auf der obersten Treppenstufe zusammensackte.
Zaphene lachte. »Ich wollte dich nicht verwirren, Krieger.«
»Das hast du auch nicht …« Aber, bei der Göttin, ihm war schwindlig.
»Das kommt, weil uns die Strahlende fehlt.« Vhyper drückte seine Schulter. »Leg dich ein bisschen schlafen, Boss. Danach fühlst du dich besser.«
Während Lyon zusah, wie Vhyper und Zaphene die Stufen hinunterstiegen, wurde sein Kopf langsam wieder klar. Offenbar litt Foxx nicht allein unter dem Fehlen der Strahlenden. Es eilte tatsächlich. Sie mussten Kara inthronisieren, und zwar schnell.
Er stemmte sich auf die Füße hoch und ging die paar Stufen zur Treppe ins zweite Stockwerk. Als er nach dem Geländer griff, fiel sein Blick auf Karas Tür. Er stellte sich vor, wie sie da mit ihrem reizvollen, samtenen Teint in dem großen Bett lag, die offenen Haare wie Seide auf dem goldenen Laken ausgebreitet.
Er biss die Zähne zusammen, zwang sich, bedächtig einen Fuß vor den anderen zu setzen, und kehrte in sein Zimmer zurück. Dort zog er sich aus, ließ sich auf sein Bett fallen und legte den Unterarm über die Augen, als könnte er damit Karas Bild aus seinem Kopf löschen. Er hatte seine Sinne auf sie eingestellt, um sie zu finden, und nun war er von ihrer stillen Schönheit und ihrer zarten Verletzbarkeit überwältigt. Eigentlich sollte er sein Interesse an einer Frau, die er kaum einen halben Tag lang kannte, problemlos wieder aufgeben können.
Vollkommen problemlos.
Wenn er nur wüsste, wie.
*
Als Kara erwachte, fiel graues Tageslicht an den dunklen Vorhängen vorbei ins Zimmer, und gegen die Scheiben prasselte der Regen. Sie stützte sich auf den zerwühlten Laken ab und setzte sich auf, strich sich dann die Haare aus dem Gesicht und sah sich in dem großen Zimmer um.
Es war also wirklich wahr. Diese Geschichte, dass sie einen Unsterblichen zu seinem Schloss begleitet hatte, hätte doch auch ein Traum sein können.
Und ihre Mom … Kara schloss die Augen und rechnete damit, vom Kummer überwältigt zu werden. Doch der Schmerz blieb aus. Sie spürte nur ein dumpfes Brennen, eine tiefe Traurigkeit. Sie blinzelte, schlug dann erneut die Augen auf und war auf einmal froh über Lyons Eingreifen. Das konnte sie aushalten.
Sie blieb mit den Gedanken bei ihrer Mutter, bei dieser starken und gesunden Frau, die sie mit viel Liebe großgezogen hatte.
Hatte sie gewusst, dass Kara kein Mensch war? Kara zog die Brauen zusammen, während sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen und sie schließlich zu dem Schluss kam, dass ihre Mutter es gewusst haben musste. Wahrscheinlich hatte sie deshalb auch nie zugelassen, dass sie zu einem Arzt ging oder Sport trieb. Niemand sollte bemerken, wie schnell sie gesund wurde. Hatte sie Kara etwa auch deshalb gebeten, nach der Highschool in Spearsville zu bleiben? Sie hatte immer angenommen, dass ihre Mutter Angst gehabt hatte, sie würde sie zu sehr vermissen. Jetzt fragte sie sich, ob ihre Mutter womöglich sogar gewusst hatte, dass Gefahren auf sie lauerten, wenn sie sich zu weit fortbewegte.
Scheinbar hatte sie über all diese Jahre Karas Geheimnis gehütet. Sogar vor Kara selbst. Siebenundzwanzig Jahre lang hatte sie zu wissen geglaubt, wer sie war. Sechsundzwanzigeinhalb dieser Jahre war sie vollkommen glücklich gewesen. Bis vor drei Monaten, als sie auf einmal unruhig und unzufrieden mit ihrem Leben geworden war. Als sie das Zeichen auf ihrer Brust entdeckt hatte. Ja, genau. Ihre Ruhelosigkeit hatte vermutlich genau zu dem Zeitpunkt begonnen, als sie zur Strahlenden geworden war.
Kara warf die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Als sie mit den nackten Füßen den Plüschteppich berührte, hielt sie inne. Plötzlich schnürte ihr ein bedrohliches Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte, den Hals zu. Was war denn los? Sie ließ den Blick durch das Zimmer gleiten. Mit einem ängstlichen Schaudern sank sie auf die Knie nieder und sah unter dem Bett nach, doch niemand war dort. Als sie wieder aufstand, war von dem Gefühl der Bedrohung nur eine leichte Beunruhigung geblieben.
Merkwürdig. Gab es denn in diesem Haus mehr, als sie auf den ersten Blick sehen konnte? Lauerte ein Geist oder irgendein anderes unsichtbares Wesen im Verborgenen, von dem man ihr nichts gesagt hatte? Die Vorstellung trieb ihr eine Gänsehaut über den Körper und zwang sie, sich so schnell wie möglich auf den Weg zur Tür zu machen.
Lyon wusste sicher Bescheid. Er konnte ihr
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