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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare
Autoren: Dietmar Bittrich
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Hannahs Hand klammerte sich daran fest.
    »Vorsicht, da ist Rost, dass du dich nicht schneidest«, teilte ich ihr mit. Hatte das etwa fürsorglich geklungen? Sie drängte sich an mich.
    Weg, hauen Sie ab, gehen Sie anderswohin!, hätte ich den Gaffern gern zugerufen. Wenn es denn Gaffer waren. Sie sahen halb her und halb weg und mussten ins Grübeln kommen: Was mochte da vorgehen zwischen den beiden? Mutter und Sohn waren das nicht. Aber doch wohl kein Paar? Sie konnten es sich nicht erklären. Ich hätte es auch nicht gekonnt.
    »Lass mir noch etwas Zeit«, bat ich. »Für mich ist es auch schwierig.«
     
    Bislang hatte ich nur Alexander von der Affäre erzählt. Jakob war Richtung Zivildienst verschollen, in der niedersächsischen Provinz. Angeblich hatte er dort etwas angefangen, mit einer Krankenschwester. Weiter hörten wir zunächst nichts von ihm; was später kam, klang lebensgefährlich.
    Alexander hatte es mit einem Mädchen aus der Tanzstunde versucht, das ihn nach einer trübsinnigen Testphase verabschiedet hatte. Nun hing er wieder seinem misslungenen Paartanz bei der Klaviermutter nach. »Sie hat gesagt, ich kann mich melden. Dahinter steckt doch was! Im Herbst werden die reiferen Frauen melancholisch.«
    Von dieser Art Weisheit waren unsere Gespräche. Er hatte sein Abenteuer verfehlt. Ich saß nun mit meinem da. In meinen Schilderungen war ich kein Liebender, das wäre peinlich gewesen, sondern ein wagemutiger Freibeuter. Ichwar der Einzige, der unsere Träume unter den erleuchteten Fenstern verwirklicht hatte.
    »Hast du mal ein Foto?«, hatte Alexander gefragt.
    Ein Foto? Nein, hatte ich nicht. Sonderbar. Ich hatte Hannah nie darum gebeten. Ich war nicht auf die Idee gekommen. Schon gar nicht darauf, selbst welche zu machen.
    »Besonders stolz bist du nicht auf sie«, folgerte Alexander.
    Stolz auf sie? Nicht direkt. Stolz auf die Eroberung. Stolz darauf, einem angesehenen Mann die Frau weggenommen zu haben, in seiner eigenen Villa, in seinem eigenen Bett. Ich war der Meisterdieb im Märchen, der nachts das Bettlaken unterm schlafenden Grafen fortstiehlt. Auf Hannah als Gefährtin war ich weniger stolz und zumindest nicht so, dass ich ihr Foto aufstellen würde oder bei Nachfragen aus dem Portemonnaie zücken könnte. Sie schmückte mich als beste Nebendarstellerin in einem Heldenstreich.
    »Sie ist sexuell unglaublich erfahren«, beteuerte ich. »Das ist es!«
    »Du hast sie genommen, weil du bei ihrer Tochter nicht landen konntest«, erklärte mir Alexander. »Überhaupt bei keiner Jüngeren!«
    Das war dreist auf den Punkt gebracht.
    »Dir geht das vielleicht so«, empörte ich mich. »Ich will gar nichts bei einer Jüngeren. Was möchtest du denn? Eine Familie gründen? Bitte sehr. Ich will Sex haben. Und nebenbei ist Hannah eine total faszinierende Persönlichkeit. So ideenreich kann eine Jüngere gar nicht sein! Sie ist belesen, sie ist in der Kunstszene zu Hause, sie kennt sich im Theater aus, sie ist philosophisch beschlagen, sie istmusikalisch, wir waren in der Oper und im Open-Air-Konzert. Ich profitiere unheimlich von ihr!«
    »Na, bravo«, bremste er mich. Die Aufzählung war zu lang geraten, um wahrhaftig zu wirken. Er beruhigte im Ton eines Irrenarztes: »Das hört sich doch gut an.«
    »Vor allem aber«, schärfte ich ihm ein, denn das war wohl nicht deutlich herausgekommen: »Vor allem geht es um Sex. Da hat sie total was drauf.«
    Warum rechtfertigte ich mich eigentlich? Er hing selbstquälerisch dieser Mutter nach, als seien an jenem Nachmittag die Weichen für sein Leben falsch gestellt worden. »Für Mädchen in unserem Alter wirke ich zu brav«, hatte er festgestellt. Nicht so für diese Mutter. Doch sie anzurufen traute er sich nicht. Er saß lieber sehnsüchtig auf dem Trockenen. Deshalb war es so anmaßend, dass er Hannah als Notbremse hinstellte.
    Ganz und gar falsch allerdings war es nicht.
    »Ich weiß doch, wie es mit ihrer Tochter war«, erläuterte ich, denn die Beweisführung benötigte Stoff. »So ist es mit jeder Jüngeren: dieses ewige Taktieren, dieses Schmollen wegen irgendwelcher Kleinigkeiten. Plötzlich zieht sie sich zurück, du weißt nicht, weshalb, nur dass du was falsch gemacht hast und jetzt auf Knien angerutscht kommen sollst. Diese Spielchen: Wer ruft an, ich tue es nicht, du musst es tun. Und am Ende kommt doch nichts dabei heraus, außer dass sie beleidigt ist, wenn du ihre Wünsche nicht erfüllst.«
    »Und das Problem hast du bei Hannah nicht«,
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