Ungleiche Paare
einem niedrigen Holzpodest, wartete ein Lehnstuhl, faltenreich drapiert mit hellem Tuch. Das musste der Platz für das Modell sein. Seitlich eine Staffelei mit einem langbeinigen Hocker, ihr Platz.
Auf einem beklecksten Tisch drängten sich Gefäße voller Pinsel, Kisten mit Farbtuben, Leinwandrollen, Spanplatten und als Paletten genutzte Glasscheiben, eine Rolle Gaze, ein Kanister Terpentin. Dahinter, auf rollbaren Kleiderständern aus Stahlrohr, hingen Kostüme, ordentlich wie in der Garderobe eines Theaters. Zu diesem Fundus passten die musealen Sammlungen von eigentümlichen Antiquitäten in großen Kartons und auf stählernen Regalen. An der Wand lehnten in Leisten gerahmte Leinwände mit der Rückwand zum Betrachter.
Das war der lichte Teil des Raumes. Der Rest versank in den Schatten, die von Regalen und Paravents geworfen wurden. So eine Werkhalle musste aufgeteilt werden, um einen Anflug von Wohnlichkeit zu erhalten. Ganz gelungen war das hier nicht. Die unverputzten Ziegelwände waren grämlich grau gestrichen und mit kalkigen Porträts behängt, mit Frauenakten und Stillleben, in denen Weiß und Grau die Grundfarben waren. Am schummrigen Endedes Raumes musste eine Art Schlafabteil sein, mit einem Bett oder zumindest einer Matratze.
Also eine Drahtstiftefabrik war das mal gewesen. Hatte sie das Wort »Nagelfabrik« vermeiden wollen?
»Ich trinke Wasser oder Kaffee beim Arbeiten«, teilte sie mit. »Du was anderes?«
»Erst mal gar nichts.« Den Weg zum Klo wollte ich vorläufig vermeiden.
Der Wasserkocher stand auf der Resopalplatte einer provisorischen Küchenzeile, die in der Weite des Raumes verloren wirkte. Kim machte sich an Geschirr und Kaffeemaschine zu schaffen. Ich trat ans Fenster. Der Blick ging auf Reste von Industrieanlagen, die man jetzt als Idyllen empfand. Kranteile, Kontergewichte und Winden muteten an wie Skulpturen, mit einer romantischen Patina von Rost überzogen und von Gestrüpp umrankt. Auf der anderen Seite des Kanals erhoben sich die dunklen Backsteinblocks genossenschaftlicher Arbeiterwohnungen, nach dem Ersten Weltkrieg von Stadtbaumeistern errichtet, die Licht und Luft schaffen wollten und ein Labyrinth düsterer Trutzburgen zustande gebracht hatten. In der Ferne, unwirklich klar, ragten die Kirchtürme der Innenstadt dünn in den übermächtigen Himmel. Noch dahinter, überm Hafen, schwebte ein Reklamezeppelin.
Ich fuhr zusammen, als Kim mir die Hand auf die Schulter legte. Sie ging barfuß auf dem gelackten Steinboden wie über taufeuchtes Gras, eine Balletttänzerin beim Darstellen mädchenhafter Unschuld.
»Hast du schon mal Modell gesessen?«
Hatte ich nicht. Allenfalls allein, für mich selbst, vor dem Spiegel.
»Weihnachten«, entsann ich mich, »für Familienfotos.«
»Na bitte. Und dies hier ist noch unromantischer. Wenn du magst, kannst du dich zur Probe mal hinsetzen.«
Die betagte Kaffeemaschine schickte ein Röcheln herüber.
Ich ließ mich vorsichtig nieder, für den Fall, dass sich ein exotisches Haustier unter den Falten des Tuches verbarg, ein schlummernder Igel oder ein von Indios gebasteltes Furzkissen. So richtig geheuer war dieses Atelier nicht.
»Muss ich ganz und gar still sitzen?« Der Sessel war nicht unbequem, aber stundenlang in derselben Haltung auszuharren konnte mühsam werden.
»Immer nur für ein paar Minuten. Während ich Fotos mache, sogar nur für Sekunden. Beim Skizzieren bitte ich dich bloß, die Position nicht auffallend zu verändern. Warte mal.« In einer unklaren Eingebung sah sie sich um. »Ich würde dich vielleicht in ein Kostüm stecken. Oder dir irgendetwas als Emblem in die Hand geben oder auf die Schulter legen.«
Das hörte sich überflüssig an. Sie stand vor einer der Kleiderstangen, auf denen allerlei hing, was selten getragen und noch seltener gereinigt wurde.
»In deiner Größe habe ich eine Matrosenuniform, kaiserliche Marine. Und einen Polizisten. Der Blaumann müsste auch ungefähr hinkommen, die Latzhose. Arbeiterklamotten müssten dir stehen, die würden dir das Vergrübelte austreiben. Dann habe ich ein Clownskostüm. Und in die Indianersachen kämest du auch rein. Spricht dich irgendwas davon an?«
»Der Matrose«, meinte ich.
»Um Gottes willen, darin würdest du total schwul aussehen.In der Hinsicht musst du sowieso aufpassen. Ich hatte eher an die blaue Latzhose gedacht. Oder bist du zu schmal für Arbeiterklamotten?«
Hundertprozentig unterstützend waren diese Überlegungen nicht.
»Aber
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