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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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schloss Alexander.
    »Natürlich nicht! Sie ist völlig selbständig. Bei der brauche ich kein Programm zu erfüllen.«
    »Man sagt ja auch«, setzte er hinzu, »alte Frauen sind besonders dankbar.«
    »Dankbar ist sie. Aber alt ist sie nicht!«
     
    Am letzten warmen Wochenende im September rief Kim an. Ich konnte den Namen nicht auf Anhieb zuordnen und erinnerte mich auch nicht an ihre Stimme.
    »Ich bin die Malerin«, erklärte sie. Sie erzählte von Hannahs Geburtstag im Oktober, den ich vermutlich vergessen hätte, und besonders von einem Wunsch, der mir schmeichelte: »Sie möchte ein Bild von dir. Ein richtiges Gemälde.«
    Davon hatte ich bislang nichts vernommen. Wo wollte sie so etwas aufhängen?
    »Erst mal gar nicht«, meinte Kim. »Später. Es soll auch nicht wandfüllend sein, nur so hundert mal hundertfünfzig, wenn dir das was sagt.«
    Das klang nach meiner Schreibtischplatte.
    »Ich arbeite nach Fotos«, fuhr sie fort. »Ein einziges Mal müsstest du allerdings herkommen. Passt es zufällig morgen?«
    Das klang frech. Und es passte. Wahrscheinlich wusste sie das von Hannah. An den Wochenenden hatte ich wenig Beschäftigung, in den Semesterferien noch weniger als im Semester. Hannah gehörte an den Wochenenden ihrer Familie oder tat wenigstens so. Nicht einmal Telefonate fanden statt. Sie war eingebunden, ich hatte frei.
    Die Nacht verbrachte ich mit Phantasien über Maler und ihre Modelle. Klimt war begehrter Bad Boy von großbürgerlichen Ladys gewesen. Botticelli, Rubens, Gauguin, Matisse, Picasso hatten ihre Modelle keineswegs, wie anden Akademien empfohlen, wie Gemüse in einem Stillleben betrachtet, sondern fleischlich genossen. Und die Malerinnen? Grandma Moses musste gestrichen werden. Paula Becker und Käthe Kollwitz fielen ebenfalls aus. Von Gabriele Münter und Frida Kahlo war nichts Anrüchiges bekannt geworden. Niki de Saint Phalle nannte sich nur so; sie blieb ihrem Jean treu und malte keine Männer. Waren Malerinnen keuscher? Und weniger an Männerkörpern interessiert? Es ging ihnen doch nicht etwa um Malerei?
    Gegen Morgen war ich so erschöpft, dass ich einnickte und die Zeit verschlief. Als ich aufwachte, konnte ich den Termin am frühen Nachmittag – »dann ist das Licht im Atelier am besten« – schon nicht mehr einhalten.
    Am Telefon wiegelte sie ab. Das Licht »hielt noch«. Als ich ausgiebig duschte, schlichen sich störende Gedanken an Hannah ein und ließen sich erst recht nicht fortwischen, als ich die Schublade nach der aufregendsten meiner Boxershorts durchwühlte.

Robbing the Cradle
    Das Atelier lag in einer unwirtlichen, nur stockend in Mode kommenden Arbeitergegend östlich der Alster. An der Rückseite des aufgelassenen Fabrikgebäudes führte ein spiegelnder Kanal vorbei. An den Kais waren einst Kähne und Schuten beladen worden, die über die Alster zur Elbe bugsiert wurden. Jetzt gehörte das Wasser den Enten und Weidenzweigen.
    Vorbei am verschlossenen Käfig eines Lastenfahrstuhls stieg ich eine grau gestrichene Betontreppe hinauf in den fünften Stock. Polierte Schilder an aufgearbeiteten Stahltüren zeigten, dass Designer und Szenefirmen Gefallen an der abgewrackten Umgebung gefunden hatten. Am Wochenende war das Gebäude menschenleer.
    Kim empfing mich in bekleckstem Jeanshemd und bunt beschmierter, ehemals weißer Latzhose. Sie war breitgesichtiger als in meiner Erinnerung, hatte einen angriffslustigen Blick und Lippen, die mir etwas zu spöttisch vorkamen. Sie trat mir selbstsicherer entgegen als in der Kunsthalle. Ich konnte mich nicht erinnern, dass wir einander dort mit Küsschen begrüßt oder verabschiedet hatten. Nun zog sie mich ganz selbstverständlich in ihre Aura aus Kreidestaub und Fixativ.
    Sie knickste scherzhaft: »Willkommen im Gewerbehof Osterbekkanal.«
    Der Raum war einschüchternd weit und im Verhältnis dazu nicht hoch genug. »Das ist seit vier Jahren mein Atelier. Hundertneunzig Quadratmeter.« Sie fuhr mit derHand durch die Luft wie ein zufriedener Feldherr. »Absolut ausreichend für alles, was ein Künstlerleben ausmacht. Abgesehen von Dusche und Klo. Die gehen draußen vom Gang ab. Da hängt der Schlüssel.« Sie wies auf einen Holzkasten neben der Tür. »Das Ganze war mal eine Drahtstiftefabrik.«
    Drahtstiftefabrik. Von Südwesten kam das Licht durch eine Reihe breiter Industriefenster mit grauen Stahlrahmen. Vorhänge gab es nicht. Ein Fensterflügel stand offen und ließ die frühherbstliche Wärme hereinfließen. Davor, auf

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