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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare
Autoren: Dietmar Bittrich
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persönlichen Wolf vorstellte, fühlte ich mich genötigt, eine multikulturelle Miene an den Tag zu legen und per Plug-in völkerverbindendes Vokabular abzurufen. Vom Bodensatz meiner Erinnerungen sah ich verschwommene Bilder aufsteigen. In späten Schuljahren hatte ich eine Aktionsgruppe gegen Rassismus geleitet. Sie war, so wurde mir jetzt schmerzlich klar, von bornierter Rhetorik getragen worden, kaum von Empfindung und am allerwenigsten von Erfahrung.
    In meinem Herzen fand ich nichts mehr von jenem glühendenKampf für die Menschenrechte, als meine Tochter nun ihre Fotosammlung vorführte.-
    Das Aufblättern des Albums war ihre Form der Vorbereitung, das Manöver einer Diplomatin, die ihr Gegenüber mit unverhandelbaren Tatsachen vertraut machen muss. In väterlicher Naivität hatte ich sie für eine schamhafte Jungfrau gehalten. Nun erstarrte ich angesichts der Fotos von zehn oder zwölf Afrikanern, die in der Reihenfolge ihres Auftretens als Liebhaber im Album erschienen. Auf meine gewundene Frage erfuhr ich, dass diese Männer als freischaffende Musiker, Köche, Tellerwäscher und Sozialhilfeempfänger tätig waren.
    »Und der hier spielt super Fußball.«
    Ich strengte mich zu basisdemokratischer Besonnenheit an und verspürte den fürstlichen Wunsch, Calvados zu trinken.
    Gibt es eigentlich auch Magnumflaschen? Das Bedürfnis verschärfte sich, als wenig später der endgültig Erwählte vorgestellt wurde. Es war der Schwärzeste von allen. Wegen unbezwingbarer Liebe und eines ablaufenden Visums musste er stehenden Fußes geheiratet werden. Ich lächelte dermaßen interkulturell, dass ein über den Gartenzaun spähender Nachbar, linker Landtagsabgeordneter mit guten Verbindungen, mich am selben Abend als Kandidaten für den Europäischen Friedenspreis anmeldete, für besondere Verdienste um Menschenwürde, Toleranz und Begegnungen auf Augenhöhe. Dies beteuerte er jedenfalls mit durchschaubarem Grinsen.
    Bad Boy und Prinzessin. Ihre Mutter, eine Schwäbin aus einem Dorf auf der Alb, mit der ich nie zusammengelebt hatte, fand ihn attraktiv. Sie hatte einen anderen Blickund malte sich vergnügt etwas aus, was mir unheimlich war.
    Auf den Fotos, die ich von den beiden aufnahm, kam vor allem das Weiß seiner Augen heraus. Das Bild in seinem Pass war dermaßen kontrastarm, dass mit dem Visum zuerst der Bruder und später der Cousin eingereist waren. Sie hatten das Dokument per Post nach Burkina Faso zurückgeschickt, auf dass weitere Verwandte nachkämen. Damit war zunächst Schluss, denn für seine Heirat benötigte der Erwählte das Papier selbst.
    »Wo hat sie den jungen Mann kennengelernt?«, erkundigte sich mein Vater zaghaft. »An der Universität?«
    Gute Idee! Ich bestätigte es auf Anhieb. In Wahrheit hatte sie ihn bei einem Fest zum Unabhängigkeitstag von Benin kennengelernt. Während dieses ersten Treffens war er beim Tanzen zudringlich geworden. Sie hatte ihn zurückgewiesen. Daraufhin hatte er sie geohrfeigt. Diese Entschiedenheit hatte bleibenden Eindruck auf sie gemacht.
    Warum nur? Ich kannte keine sanftmütigere Prinzessin als sie. Wollte sie ihn bekehren? War er der Frosch, sie die Prinzenmacherin? Zum Magnetismus gehört es, dass gegensätzliche Pole sich anziehen. Warum eigentlich? Um zu verschmelzen? Oder um im Nahkampf besser Krieg führen zu können?
     
    Immerhin: Sie hatte ihn vorgestellt. Und zweifellos hatte sie sich insgeheim amüsiert über mein gewundenes Bemühen um Fassung und politische Korrektheit.
    In vergleichbarer Lage hatte ich selbst mich gedrückt. Als ich einer herrlichen Hexe verfiel, schwarzbraun undnach Wildnis duftend, war ich Ende zwanzig und wanderte den Weg des Eremiten. Dann musste ich meinem Zenmeister eröffnen, dass ich über die Probezeit hinaus meinen Aufenthalt in der Einsiedelei nicht verlängern würde. Den weiblichen Anlass erwähnte ich mit keinem Wort.
    Mir stand ein Argument noch nicht zur Verfügung, das die Qumran-Forscher mittlerweile der sogenannten Gabriel-Offenbarung entnommen haben: Der Rabbi Joshua aus Nazareth ist auch kein Keuscher geblieben. Seine Miriam aus Magdala soll er ebenfalls dem eigenen Guru unterschlagen haben, dem Täufer Jochanan. Und seiner Mutter hat Joshua die geschminkte Miriam mit den Worten schmackhaft zu machen versucht: »Ihr habt denselben Vornamen!« Ob das ein Trost war?
    Jedenfalls hatte mich eine dunkle Zauberin berührt. Ich war verdammt, ihr zu Willen zu sein, und verschwieg sie meinem mönchischen Meister.
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