Ungleiche Paare
hatten, und verbrachten die Nächte in störungsfreien Wohnungen oder Kellern auf morschen Matratzen. Wir fühlten uns als Outlaws und glaubten in der Wahrheit zu leben, selbstredend kompromisslos. Die verachtens- oder bemitleidenswerten Arbeitsameisen führten dagegen ein Leben auslaugender Regelmäßigkeit, das sie selbst nicht wollten. Sie jagten Zielen nach, die ihnen von Ausbeutern eingeredet worden waren. Wir ließen uns von niemandem manipulieren. Wir waren frei. Wir hatten recht.
Es überraschte uns nicht, als ein amerikanischer Forschernachwies, dass bereits Jesus ein hingebungsvoller Kiffer gewesen war. Er war bei orientalischen Schamanen in die Schule gegangen. Wir hatten es geahnt! Drogen waren göttlich, und wer damit umzugehen wusste, durfte sich mit vollem Recht Gottessohn nennen. Seine Wunderheilungen hatte Jesus mit Salböl vorgenommen, das die unerlässlichen Cannabis-Extrakte enthielt. Epileptiker und Besessene priesen den Himmel, wenn er es auftrug. Bei erhöhter Dosis konnte die Essenz Tote erwecken. Die kosmischen Visionen dieses ruhmreichsten aller Freaks, seine Engelsmusik und Himmelsfahrten, waren Ergebnisse besonders geglückter Trips. Die besten Rezepte hatte Jesus am Ende seinen Jüngern verraten. Sie nannten es Ausgießung des Heiligen Geistes.
Das war freie Wissenschaft. Allerdings waren wir klug genug, um dergleichen zweifelsfreie Erkenntnisse unseren Eltern zu verschweigen. Immerhin finanzierten sie immer noch das, was Studium genannt wurde. Wir studierten mittlerweile als Hauptfach Ethnologie und hofften, dass bei einer etwaigen Prüfung neue Themen zugelassen und Praxiskenntnisse gewürdigt würden, etwa zum Zusammenhang zwischen richtiger Dosis und Erleuchtung. Oder zu den verbreitungswürdigen Riten amerikanischer Indianer. In der Native American Church war Peyote ganz offiziell zugelassen zur Herbeiführung von Trancen. Das waren förderungswürdige Traditionen. Renommierte Psychologen nahmen sie bereits auf. Stanislav Grof und seine Gefährten hatten in Kalifornien Pilzextrakte und Kaktussäfte zum Hauptbestandteil ihrer Therapien gemacht. Wir ebenfalls. Und wenn wir bei so einer Bewusstseinserweiterung im Dienste der Forschung den Körper verlassen hätten,in Richtung Nirwana, und zwar für immer, wir hätten nichts dagegen gehabt. Im Gegenteil, dahin wollten wir.
Dass uns Frauen bei diesen Reisen gleichgültig waren, machte uns für sie interessant. Es begann damit, dass Jakob seine Schwester mitbrachte. Wir kannten sie von früher. Sie war zu einer sanften Schönheit gereift. Und sie hatte sich verliebt, in den musischen Alexander.
Jakob war der Warlord. Er hatte im Griff, worauf es ankam. Er graste die Händler ab, in schwarzem Leder, auf einem Motorrad, das so wendig und clever getunt war, dass es jeder Polizeikontrolle entkam. Eine Überdosis kör per ei genes Testosteron hatte ihn zum Rebellen gemacht. Von einer gezackten Aura umgeben, schien er stets kampfbereit und mit den neuesten Karate-Updates versehen, ein funkelnder Krieger, aufmüpfiger und lebendiger als Darth Vader. Er gehörte zu jenem unvergänglichen Club der Bad Boys, den Marlon Brando und James Dean gegründet hatten.
Alexander war die tragische Ausgabe. Unter den Teufeln war er der arme Teufel. Der traurige Luzifer aus Miltons Verlorenem Paradies . Ein Heathcliff. Bleich und mit langen schwarzen Locken, von jugendlicher Schwermut gebeugt, stieg er die bröckelnden Stufen hinunter in die Keller der Entrückungen. Weder Alkohol noch Haschischkekse waren ihm anzumerken. Er blieb wortkarg und melancholisch. Wenn er kein Narziss war, schien er doch ein düsteres Geheimnis in sich zu tragen. Jakobs Schwester flog auf dieses Geheimnis. Sie war gerade siebzehn, eine milchgesichtige Schülerin mit Vorliebe für Handarbeiten und schon bereit, sich um ihn zu kümmern.
Wir, die zufälligen Lagergesellen, von denen ich einige nicht mal mit Namen kannte, nahmen diese Paarung nur am äußeren Rande unseres Gesichtsfeldes wahr, mit den fünf oder sechs Prozent Aufnahmefähigkeit, die uns geblieben waren im rauschenden Fahrtwind unserer fliegenden Matratzen. Wie in einem verwackelten Hintergrundfilm konnten wir gerade noch ausmachen, dass Jakobs Schwester am träumenden Alexander herumnestelte. Wenn wir das Geschehen heranzoomten, und manchmal klappte das, erkannten wir, dass sie ihn aufknöpfte und sich über ihn beugte, während er seufzte, von zweierlei Trips fortgetragen.
Unsere Energie bewegte sich in
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