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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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genannt. Die hatte sich schnell als untauglicher Schmuck erwiesen, doch das verschwieg ich. Hannah war zu mütterlich für diese Art Informationen. Sie musste nicht wissen, dass meine Versuche, Glück aus dem Schlauch zu saugen, unerbittlich gescheitert waren am Schlucken rauchigen Wassers. Notgedrungen war ich zum Drehen wurstiger Zigaretten zurückgekehrt, aus gut gewürztemTabak. Hannah stellte fest, dass es mir genügte, auf dem Bett zu liegen und in mich hineinzukichern.
    Sie setzte sich auf den Rand und erkundigte sich behutsam, ob es mir gutginge. Darüber musste ich lachen. Als sie mich streicheln wollte, gelangte sie nur bis zu einer dünnen Membran. Meine Haut lag darunter, unberührbar. Zärtlichkeiten schienen unwirklich wie Gesten in einem Animationsfilm. Sie zu erwidern war vollends ausgeschlossen. Dafür hätte ich einen marmorschweren Arm vom Horizont über das ganze Firmament heben müssen. Ich stellte mir vor, wie er als schwebendes Monument die Wolken teilte, und lachte wieder.
    »Wenn du Schluss machen willst, sag es doch einfach«, bat sie.
    Ich hatte mich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet.
    Aber es fiel mir leichter, in die grundlose Matratze zu sinken, als nach entgleitenden Worten zu haschen. Mein Leben dehnte sich abenteuerlich und in explodierenden Farben in die Unendlichkeit. Es war voller Musik und Fahrten. Ihres würde von nun an ärmer werden. Ich konnte es nicht ändern.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte sie warm.
    »Ich habe doch keine Angst!«, lachte ich schrill.
    Sie erhob sich vom Bettrand, mit einem Mal tatsächlich gealtert, und zog mühsam die bunte Wolljacke wieder an, die sie zwanzig Minuten zuvor über den Stuhl gehängt hatte.
    »Das meiste im Leben geht gut aus«, sagte sie, als sie zur Tür ging. »Das weißt du nur noch nicht.«
    Was sollte dieser Zuspruch? Ich benötigte ihn nicht. Oder war er an sie selbst gerichtet? Sie sah mich so liebevoll an, dass ich mich zur Wand drehen musste.

Gothic Partys
    Wir wurden zu Bad Boys, ohne es zu merken und ohne es zu wollen. Wer »I’m bad« singt und sich um seine street credibility sorgt, argwöhnt mit Recht, dass es nicht klappt. Und wer sich einen Boxerkimono kauft, die Kapuze ins Gesicht zerrt und im Spiegel so gefährlich aussieht wie der Rapper auf dem Plakat, ist ebenfalls auf vergeblichem Weg.
    Wir wollten niemanden beeindrucken, lediglich uns selbst zerstören. Ausprobieren, wann der Körper schlapp macht und der Geist endgültig die Augen ins Weiße dreht. Mehr nicht.
    Bestimmt wollten wir keine Retterinnen in unsere zugigen Ruinen locken. Aber sie fanden sich ein, mit Pumps und gebügelten Blusen, arglos und liebevoll, Töchter aus gutem Hause. Warum kamen sie? Aus eigenem Antrieb? Oder wird dem Bad Boy von der Evolution routinemäßig die Tugendhafte verordnet, also ein ungleiches Paar geschmiedet, weil zumindest die Gene des einen um ihr Überleben besorgt sind?
    »Was rauchen wir hier eigentlich?«, fragte Alexander.
    »Keine Ahnung«, sagte Jakob, »aber es geht gut ab.«
    Jakob war eine neue Autorität zugewachsen, seit er der Beschaffer war und die Quellen kannte. Er nahm uns zu Leuten mit, die uns vorher unheimlich gewesen wären, mit denen er sich jedoch komplizenhaft verständigte. Ob das klumpige Kraut mit Crack versetzt oder mit Heroin verschnitten war, um uns für immer zu abhängigen Wrackszu machen, war gleichgültig. Dergleichen Gerüchte geisterten durch die Morgenzeitungen, geschmückt mit Expertenalarm. Es waren Dramen für schreckhafte Bürger, nicht anders als mutierende Grippeviren, Ufos und Killerameisen. Für uns erlangten sie nie Relevanz.
    Während die Semester verstrichen, priesen wir Gott und Jakob, der im Diakoniekrankenhaus seine pharmazeutischen Kenntnisse erweitert hatte und den Unterschied erklären konnte zwischen Dronabinol und Cannabinol, Letzteres gern in der Tetra-Hydro-Variante. Im Übrigen waren ihm Chemiestudenten bekannt, die nach Feierabend in staatlichen Labors nicht ihre Diplomarbeiten vorantrieben, sondern allerfeinsten Stoff herstellten. Der musste dann zwar synthetisch genannt werden und entbehrte der romantischen Aura von Ayahuasca und Mescalin, er war nicht von Eingeborenen aus Lianen gezapft oder aus den Lamellen von Pilzen geschabt worden, dafür erreichte er uns garantiert unvermischt, nicht mit Backpulver gestreckt, lauter und pur. Das reine Labsal für unsere Neurotransmitter.
    Gewöhnlich trafen wir uns am Spätnachmittag, wenn wir ausgeschlafen

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