Ungleiche Paare
Anblick sie losprusten ließ, erstaunte mich nicht im Geringsten.
Egal, muss sie sich gesagt haben. Die Strickjacke hatte sie fortgeworfen, nun folgte die Bluse. Ein goldenes Kettchen mit einem winzigen Lapislazuli-Buddha pendeltevor meinen Augen. Babyspeck tanzte. Ein Büstenhalter mit schwarzem Spitzenbesatz, einschüchternd gefüllt, öffnete sich mit einem schrappenden Geräusch. Die Früchte stürzten aus dem Korb. Fluten, Wogen, Turbulenzen. Sie kugelte hin und her und rutschte glucksend und suchte ihren Sitz. Um nicht vollends den Eindruck eines Leichnams zu machen, packte ich ihre Hinterbacken. Das nahm sie als Signal. Sie griff mit ihren rosigen Händen zu, streichelte zu kräftig, zog zu erbarmungslos, knetete. Ich schloss resigniert die Augen. Ihre Bemühungen waren abwegig.
Aber dann auf einmal hatte sie sich eingeschwungen auf meine Reiseroute, war Flugbegleiterin, bald Pilotin und drehte sich in den wirbelnden Stürzen mit durch die Supernovae und schwarzen Trichter. Und es passte, dass irgendwann am Rand dieses Universums, wo wir zwischen fremden Galaxien emportauchten, etwas wie eine kitzlige Bereitschaft entstand. Als ich die Augen öffnete, sah ich die Glocken schwingen und ihren kurzlockigen Kopf, der sich zum Endlos-Repeat von Santana hin und her warf.
Ungläubig, wie der jenseits aller Räume gelandete Reisende bei Stanley Kubrick, richtete ich mich ein wenig auf. Sie saß vollständig auf mir und schwitzte und keuchte und hatte sich den Sieg erstritten. Sie hatte etwas vollbracht, von dem ich nichts mitbekommen hatte und auch jetzt nichts Fühlbares mitbekam. Ich war lediglich Zuschauer, nur Zeuge, wie sie summte und sang und lachte und heiter auf und nieder fuhr, quiekend, glucksend, sprudelnd, ein dem Spielplatz längst entwachsenes Mädchen auf der für Leichtgewichte entworfenen Wippe.
Es hätte immer so weitergehen können. Halluzinogene Cocktails heben wie Lichtreisen die Zeit auf. Doch irgendwannschnallte sie sich von ihrem Sitz. Sie seufzte. Es klang erleichtert. Ich hatte nichts erlebt außer Verwunderung. Nun sah ich sie absteigen mit einer Milchstraße klebrigen Schaums im Schamhaar. Etwas schien geschehen zu sein – nur war niemand da gewesen, der es hätte mitbekommen können.
Sie beugte sich über meinen Mund und küsste die ausgetrockneten Lippen. »Du bist süß, aber vielleicht hätten wir besser aufpassen sollen.«
Der Satz glitschte mit Eiswürfeln mein Rückgrat abwärts.
»Kann ich mich irgendwo waschen?«, fragte sie. »Ich möchte nicht, dass mein Freund was schnallt.«
»Du gehst jetzt zu deinem Freund?«, wunderte ich mich matt.
»Ja, klar, der wartet doch.«
Rebell und Heilerin
Was also wollten sie? Mitmachen? Nur mal spielen? Oder jemanden retten?
Ein paar Jahre später glaubte ich es zu verstehen, als ich zu den Guten gehörte und umworbene Frauen an die Bösen verlor. Wenigstens zwei ließen mich sitzen, der ich solide und berechenbar geworden war, und stahlen sich davon zu Adventure Games mit Migranten und Vagabunden. Eine spätere Rückkehr nach ihrem überstandenen Survival Trip war nicht ausgeschlossen, sogar wahrscheinlich. Die meisten Paarungen von Teufel und Jungfrau oder Bad Boy und Prinzessin haben die Dauer eines mittleren Abenteuerurlaubs. Wenige halten länger, die gibt es auch, nur wird es dann schwierig für die Prinzessin, nicht ebenfalls abzustürzen, falls sie den Verlorenen nicht ans Licht zerren kann. Ein Jahr nach ihrer wagemutigen Eheschließung suchte meine Tochter Zuflucht bei einer »Selbsthilfegruppe für deutsche Ehefrauen von muslimischen Afrikanern«, speziell solchen, die trotz schwacher Sprachkenntnisse erfolgreich mit Drogen dealen.
Den höheren Töchtern, die uns besuchten, schien es um so etwas wie Bungee-Jumping zu gehen. Sie wollten etwas vom berühmten Flow spüren, den Erfolgserlebnisse und Grenzerfahrungen verschaffen. Hier waren es Grenzerfahrungen. Mutig und frech warfen sie sich in die Düsternis und baumelten über dem Abgrund, im Vertrauen darauf, dass das Seil hielt. Sie erlebten ihre Affären mit uns wie den Thrill einer Risikosportart. Es durfte heikel werdenwie Paragliding bei schlechter Thermik oder Free Climbing am gefrorenen Wasserfall oder sogar richtig gefährlich wie Base-Jumping ohne Reservefallschirm. Nur erlebten sie den Kitzel nicht durch Luftrekorde und Akrobatik am Steilhang, nicht mal durch Alkaloide, sondern durch grenzwertige Beziehungen, durch Liebschaften am Abgrund und erotischen
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