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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Wagemut.
    »Ich wusste, dass er mich betrügen würde«, erzählte Consuelo Sandoval über Antoine de Saint-Exupéry, »mir war klar, dass er brutal und skrupellos war, aber ich suchte die Liebe dahinter, und manchmal fand ich etwas davon.« Sexy Schurken, Faune, Teufel können sich auf solche Sucherinnen verlassen.
    Einige Mädchen nahmen die Gelegenheit wahr, unbeobachtet und jenseits der Moral nur ihrer Lust nachzugeben, besinnungslos Sex zu haben, jenseits langweiliger Verantwortung herumzutoben. Mit dem Rest ihres Lebens hatte das nichts zu tun. Sie konnten animalisch sein, durften einen Mann oder zwei missbrauchen und sich missbrauchen lassen und dann zurückkehren in die elterlichen Villen mit Kiesauffahrten, Rhododendronparks und humanistischer Moral, wo bereits ein vielversprechender junger Mann mit Blumenstrauß wartete.
    Es gab auch solche, die als Helferinnen kamen und uns retten wollten. Die sich berufen fühlten, die Zerrissenheit ihres Helden zu heilen. »Ich wollte seine Dämonen bannen«, erzählte Jerry Hall über Mick Jagger. »Ich musste seine geschundene Seele heilen«, erklärte Jane Birkin zu Serge Gainsborough. Und Elena Kuletskaya sagte über Mickey Rourke: »Ich fühlte mich stark genug, die Martern seiner Vergangenheit aufzulösen in eine lichte Zukunft.«
    Es gab auch bei uns lichte Mädchen, die davon träumten, einen Problemfall durch Zuwendung auf die richtige Bahn zu leiten. Das waren diejenigen, die immer wiederkamen. Die hartnäckigsten. Überraschenderweise entpuppte sich auch Lena als eine von ihnen. Oder sie entwickelte sich dahin, als es notwendig wurde. Und es gab noch eine andere Frau von dieser Sorte, eine sanfte, unscheinbare. Sie lag im Streit mit ihren Eltern, von denen es hieß, sie wohnten am Falkenstein und seien eine reiche Reederfamilie mit eigenem Golfplatz.
    Einen für sie ausgewählten und schon von ihr abgenickten Zahnarzt hatte diese Frau nach einem halben Jahr repräsentativer Reisen und Cocktailpartys verlassen. Nun kümmerte sie sich um Jakob, der nicht mal Sozialpädagogik studierte. Der Kontakt zu ihren Eltern war abgerissen.
    Sie achtete so mitempfindend und gleichgestimmt auf Jakob, dass wir sie kaum mehr bemerkten. Doch wenn wir ihn besuchten, war sie immer da. Viel früher als wir hatte sie begriffen, warum er die Ärmel seiner Hemden nicht hochkrempelte. Wir waren zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Aber irgendwann kapierten auch wir, dass diese Frau nicht dauernd ihre Tage haben konnte und somit die Blutschlieren in Jakobs Badezimmer anderswoher stammen mussten.
     
    Bis dahin hatten wir es für scharfsinnig und konspirativ gehalten, wenn wir die Schauplätze unserer Psychotropen- Expeditionen alle paar Tage wechselten. Hier ein Keller, dort die Laube in einem Schrebergarten, beim einen mussten wir in die Garage, beim anderen auf den Dachboden, beim Dritten durften wir uns im Wohnzimmer suhlen, sobaldseine Eltern ins Wochenende gefahren waren. Ich konnte mit der von Hannah ausgestatteten Dachwohnung prunken, Alexander bot das Häuschen seiner Großmutter an, die ihren Lieblingsenkel vorübergehend als Untermieter aufgenommen hatte.
    Jakob hauste seit der Entlassung aus dem Zivildienst in einem Fabrikgebäude aus der Gründerzeit, das längst zum Abriss freigegebenen war, aber noch halbwegs aufrecht stand. Das gesamte in Trübsinn bröckelnde Viertel sollte saniert werden. Doch gegen die Aufhebung des Trübsinns regte sich Widerstand, vor allem von Leuten wie uns, die Slums und Ruinen für das Authentische hielten.
    Eines Nachts warteten wir dort auf Jakob, bei ein paar Teelichten, über denen wir auf Silberfolie feines braunes Pulver in wundertätigen Rauch verwandelten. Jakobs Freundin, die Millionärstochter, der man ihre Herkunft immer ansehen würde, fuhrwerkte mit Lappen und Handfeger zwischen den Ziegelwänden herum, von denen der Putz in Placken herabgestürzt oder in Anfällen von Verzweiflung abgeschlagen worden war. Ihre echte Perlenkette schwang hin und her. Es war nervöse Selbstbeschäftigung, aber auch ein unauslöschlicher Makel ihrer Herkunft: Sie wollte es sauber haben.
    Es war fünf Uhr morgens und dämmerte schon, als Jakob eintraf, außer Atem, mit schweißglänzendem Gesicht und flackerndem Blick. Sein Anblick jagte uns Furcht ein. Er erschien wie eine surreale Figur, die sich unter der Hand des Malers in auseinanderstiebende Einzelteile auflöst. Sichernd und witternd sah er sich um. Niemand Unbekanntes im Raum.
    Er habe gerade

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